In der gegenwärtigen Pandemie ist oft von der sogenannten Reproduktionszahl die Rede. Beträgt sie eins, so steckt ein kranker Mensch einen weiteren Menschen an. Ansteckend ist nicht nur ein Virus, das seit einem Jahr unser Leben lähmt. Auch wir Menschen mit unseren Gefühlen, Stimmungen, Meinungen stecken einander an. Kürzlich saß ich an einem unserer Hospiztische zum Mittagessen. Jemand hat angefangen zu jammern. Minuten später sind andere mit ins Jammern eingestiegen bis schließlich fast alle – inklusive ich – an diesem Tisch jammerten.
Wir befinden uns in der Mitte der Fastenzeit. Mit der Fastenzeit verbinden wir vielfach Ernst, Verzicht, den Gürtel enger schnallen. Wie wäre es sich heuer in dieser besonderen Fastenzeit einmal mit Freude, einem Lächeln anzustecken? Wenn etwa jede/r von uns in den nächsten Fasttagen täglich mindestens einer anderen Person Freude bereitet. Dann liegt die Reproduktionszahl des Glücks über 1. Dann kennt bald jede/r jemanden, der glücklich ist. Ein Anruf, ein Lächeln, ein gutes Wort, eine Aufmerksamkeit… so vieles kann sich vermehren. Ansteckung ist hier erwünscht und hat positive Folgen. Ganz im Sinne von Mutter Terese, die einmal gesagt haben soll: „If there is no smile, make a smile“ („Wo kein Lächeln ist, verbreite ein Lächeln“).
Angesteckt hat mich auch ein Kurzvideo aus Nürnberg, das ich im Rahmen des EA Tages 2019 das erste Mal sah: Ode an die Freude. Ein junges Mädchen beginnt mit ihrer Flöte die Melodie „Freude schöner Götterfunken“ von Ludwig van Beethoven zu spielen. Mit ihrem Flötenspiel steckt sie andere an. Es werden immer mehr. Schließlich spielt mitten in Nürnberg an einem Sommertag ein ganzes Orchester, ein Freudenorchester.
Hier zum Nachsehen, Nachhören:
Fastenimpuls Mittwoch 10. März 2021
Christian Sint, Seelsorger
Foto: Hermann Glettler