Architekten Sybille Caspar und Paul Wichert über das Hospizhaus Tirol: Ein offenes Haus und zugleich ein Ort der Geborgenheit

Die Architekten Sybille Caspar und Paul Wichert im Gespräch mit Urban Regensburger über das Konzept des Hospizhauses Tirol.

Hat es bei der Planung und der jetzigen Umsetzung des Hospizhauses Tirol eine für Sie ganz besondere Situation gegeben, durch die sich der Bau von anderen Bauten unterscheidet?

Natürlich ist jedes Bauwerk vollkommen anders und eigenständig. Die Thematik Hospiz ist für uns auch neu. Wir haben vorher schon eine Geriatrie geplant, aber das Hospizhaus an sich ist noch einmal ein ganz anderes Thema. Es stellt Ansprüche an den Menschen, an das Leben und an den Tod, die es bei einem anderen Projekt in dieser Art und Weise nicht gibt.

Es ist ein intensives Thema und das spiegelt sich auch im Konzept wider. Wir sind immer wieder mit der Thematik der offenen und geschlossenen Räume konfrontiert. Man ist ein Mensch in der Gesellschaft, man geht hinaus, aber man braucht auch seinen Intim- beziehungsweise Privatbereich. Das ist in diesem Haus mehr als in anderen Häusern spürbar.

Worin spiegeln sich im Hospizhaus diese Offenheit und Geschlossenheit?

Sowohl im Obergeschoss als auch im Untergeschoss sind die einzelnen Raumeinheiten um ein freibleibendes Zentrum herum angeordnet. Die schützende Hülle der Räume schafft ein introvertiertes Zentrum. Dieses wird durch Baumhöfe zoniert. Rückzugsbereiche wie Treffpunkte liegen nebeneinander, ohne sich zu stören. Erschließungsflächen werden zu Kommunikationsbereichen, zu Plätzen mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten – Essplätze, Ruhe- und Rückzugsbereiche, Spielzonen, Gehparcours. In der Mitte des Gebäudes ist man zugleich mitten in der Natur. So entsteht im Erdgeschoss ein großzügiger Aufenthaltsraum für das Tageshospiz und in der Station ein vielschichtiger Aufenthaltsraum.

Zwischen diesen beiden Polen entspinnt sich das Raum- und Nutzungskonzept: Es gibt das „Ich“, das „Persönliche“, die Betroffenen, die Familie und schließlich die Betreuenden, die in einem offenen Raumkonzept interagieren.

Unterscheidet sich das Hospizhaus in dieser Hinsicht stark von einem klassischen Krankenhaus?

Eindeutig – allein durch die Art der Betreuung. Wir haben die derzeitige Hospiz- und Palliativstation im Sanatorium Kettenbrücke besucht und waren irrsinnig fasziniert von der positiven und feinen Stimmung, die dort vorherrscht. Das ist etwas ganz Außergewöhnliches und unterscheidet das Hospiz von jedem Krankenhausbau.

In der Geriatrie habe ich zum Beispiel einen fixen Ablauf, da kann auch aufgrund des Betreuungsschlüssels nicht auf jeden Menschen individuell eingegangen werden. Um 6 Uhr in der Früh steht unter Umständen die Putzfrau im Zimmer. Das ist der Ablauf. Die Essenszeit und die Pflegezeiten sind fix.

Das Schöne am Hospiz ist, dass man sieht, dass der Mensch im Zentrum steht. Man ist nicht nur einfach eine Nummer. Zum Schluss werden einfach Bedürfnisse erfüllt. Es geht nur mehr darum, welche Wünsche man den Betroffenen noch erfüllen und wie man ihre Würde wahren kann. Diese Thematik ist einzigartig.

Wie wurden die Bereiche der Bildung und der Verwaltung ins Haus integriert?

Auch diese Bereiche sind zugleich abgetrennt und integriert. Im Erdgeschoss sind der Verwaltungsbereich und der Patientenbereich offen miteinander verbunden. Die Verwaltung ist nicht hinter einer Tür abgeschlossen. Auch hier wird die Idee der Verbindung zwischen Privat- und Offenheit weitergeführt.

Der Bildungsbereich ist tatsächlich etwas anderes, weil dort wirklich keine PatientInnen sein werden. Wir nennen es immer eine Laterne im Dachgeschoss, weil es auf dem Gebäude draufsitzt.

Der Bildungsbereich umfasst drei Büros und drei Schulungsräume, die zu einem großen Vortragssaal kombiniert werden können. Diese Räume bieten einen konzentrierten Rahmen für die angebotenen Aus- und Weiterbildungen im Bereich Hospiz und Palliative Care.

Welche architektonische Grundidee verfolgen Sie beim neuen Hospizhaus Tirol?

Es war uns immer wichtig, dass es ein helles Haus wird. Es soll offen sein für die Bevölkerung. Es soll den Betroffenen aber auch Geborgenheit vermitteln.

Vieles haben wir mit dem Thema der Offen- und Geschlossenheit schon angesprochen. Zum Beispiel ist der Fußweg, der an der Vorderseite entlangführt, ein Zeichen dafür, dass das Hospiz nicht von der Öffentlichkeit abgegrenzt wird. Es steht schon etwas weiter hinten und es gibt einen leicht erhöhten Umgang, aber es ist immer noch so, dass ein Blick zum Haus möglich ist. Das Haus steht mitten im Park, es gibt eine gewisse Grenze, aber keine Mauer.

Es steht im Grünen?

Ja, es steht mitten im Park. Wir versuchen, während der Bauzeit möglichst viele Bäume zu erhalten, weil es schöne, große Bäume sind. Wir glauben, dass die Natur ganz wichtig ist, weil sie auch Ruhe spendet. Darum werden auch die Lichthöfe, die zum Teil begangen werden können, begrünt.

Wie verbinden Sie das Haus mit der Umgebung?

Das Gebäude wird von der Umgebung, der Natur regelrecht perforiert. Bäume wachsen durch das Gebäude, Wetter und Jahreszeiten sind auch innerhalb des Gebäudes erlebbar.

Die Lage innerhalb der Stadt tut ihr Übriges. Das Hospizhaus schließt sich nicht irgendwo am Stadtrand ab, sondern ist Teil der Stadt. Der öffentliche Fußweg läuft am Hospizhaus vorbei, wir können uns gut vorstellen, wie die Schüler um das Haus herum unterwegs sind. Dadurch ist etwas los, und es herrscht nicht nur Ruhe und Bedächtigkeit. Zugleich kann jeder, der möchte, an das Haus herantreten.

In Hall wird man vermutlich schnell wissen, was da passiert. Ein gewisser Respekt wird durchaus gegeben sein, der ist auch erwünscht. Zugleich gibt es aber immer die Möglichkeit zum Blickkontakt. Es gibt die Glasfassaden, die dort, wo es das Hospiz erlaubt, einen Blick ins Innere ermöglichen.

Welche Herausforderungen warten mit der konkreten Umsetzung – vom Plan zur Wirklichkeit – auf Sie?

Wir arbeiten in Schritten. Da ist zuerst der Wettbewerb, wo man ganz unbefangen an das Thema herangehen kann. Und natürlich kommen dann immer mehr Herausforderungen auf einen zu, vor allem durch die Gespräche mit den Bauherren und Behörden. Eine Herausforderung ist zum Beispiel der Brandschutz. Wir verfolgen ein sehr offenes Konzept, und trotzdem müssen die Richtlinien eingehalten werden. Diesen Spagat zwischen dem Wunsch nach einem offenen Raum und den baurechtlichen Vorgaben, die zum Beispiel an gewissen Stellen eine Brandschutzwand vorschreiben, zu schaffen, ist manchmal schwierig.

Müssen Sie auch Kompromisse machen?

Wir sehen die Veränderungen im Projekt nicht als Kompromisse, sondern als gemeinsame Weiterentwicklung, eine Verbesserung des Projekts. Wir planen das Gebäude ja für die Menschen, die es benutzen, hier arbeiten, hier leben und auch hier sterben.

Wie erleben Sie die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft als Bauherr?

Die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft ist ein Bauherr mit sehr differenzierten Ideen und Idealen. Das ist eine ganz andere Situation, als wenn man zum Beispiel einen Supermarkt plant. Das Thema allein ist so vielschichtig und interessant und die Menschen, mit denen wir bis jetzt zusammengearbeitet haben, waren für uns ganz besonders. Wir verspürten hier eine Herzlichkeit und Wärme, die wir sonst leider nicht so erleben. Wir arbeiten sehr gern mit der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft zusammen. Das klingt jetzt pathetisch, aber es ist wirklich so.

Es ist schön, für die MitarbeiterInnen des Hospizes und für die Menschen, die darin ihre letzten Tage verbringen werden, zu planen, und wir hoffen, dass das Gebäude so wird, wie sich das alle vorstellen.

Das Interview mit den Architekten Sybille Caspar und Paul Wichert über das Hospizhaus Tirol ist die Langfassung eines Interviews, dass in der Vereinszeitung Sonnenblume im November 2016 erschienen ist.

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