Projekt Leo
Inhalt
1. Ausgangslage und Hintergrund
Menschen in Wohnungs-Obdachlosigkeit sind Personen, die sich oftmals in sozialen Schwierigkeiten befinden und soziale Ausgrenzung erfahren. Diese Ausgrenzung beschränkt sich nicht nur auf den Wohnungsmarkt, sondern wirkt sich auch auf andere existenzielle Lebensbereiche aus. Wohnungs-obdachlose Menschen sind überwiegend langzeitarbeitslos, haben geringere Bildungsqualifikationen und können oft ihre Rechte auf Transferleistungen nicht realisieren. Der Zugang zum Gesundheitssystem wird aufgrund früherer Erfahrungen (Diskriminierung, Respektlosigkeit) meist als wenig vertrauensvoll wahrgenommen und Krankheitssymptome werden aus Scham und Angst oft verleugnet. Häufig bleiben deshalb klare Symptome und Signale, die auf palliativen Pflegebedarf hinweisen, unbemerkt und somit ist der Zugang meist zu spät.
Hospizbewegung ist für alle da!
In Überlegungen wurde klar, dass ein erster Zugang in Zusammenarbeit mit Angeboten der Grundversorgung für wohnungs-oder obdachlosen Menschen verknüpft sein muss und Begegnung nur an den Schauplätzen und Lebensräumen dieser Menschen stattfinden kann. Auf Basis dieser Überlegungen wurde im Vorstand der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft (THG) in Kooperation mit dem Verein für Obdachlose das „Projekt Leo“ (die Namensgebung erfolgt aus unserer ersten Betreuung), für den 01.10.2022 genehmigt und gestartet.
2. Ziele
- Aufsuchende, niederschwellige, ganzheitliche (Palliativ) Pflege, Zuwendung und Begegnung im jeweiligen Lebensumfeld (Straße, Notschlafstellen, Tageseinrichtungen) um Leid zu mindern, Lebensqualität zu ermöglichen.
- Enge Vernetzung und Zusammenarbeit mit allen Anbietern der Wohnungslosenhilfe und dem Krankenhaus.
3. Tätigkeiten und Inhalte: Was passierte in den bisherigen zwei Jahren?
- Durch starke Präsenz an den jeweiligen Schauplätzen Vertrauensaufbau und Kennenlernen der betroffenen Menschen und ihrer je eigenen Lebenswelt
- Zuhören, Dasein, Beratung, Verbinden von Wunden, Begleitung zu Arztterminen, Versuch, diese Menschen ins Regelsystem zurück zu führen
- Hilfe bei der Suche nach Unterkunft bei Krankheit
- Besuche bei stationären Aufenthalten im Krankenhaus
- Begleitung im Sterben, oft in Notschlafstellen, auf der Straße, aber auch in liebevoller Begleitung durch die Palliativstation der THG
- Enge Vernetzung zum Mobilen Palliativteam der THG, allen Anbietern der Wohnungslosenhilfe und dem Entlassungsmanagement der Krankenhäuser.
4. Personal
- Aufsuchende, unbürokratische und schnelle Hilfe durch aufsuchende Pflegepersonen mit spezieller Palliativausbildung, die dem Mobilen Palliativteam der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft zugeordnet sind. Dadurch ergibt sich im Hintergrund und in enger Zusammenarbeit ein größtmögliches Unterstützungsangebot. Auch Ressourcen für Hilfsmittel und Medikamente sind so schnell und unbürokratisch zu erlangen.
- Die Mobile Sozialarbeit des Vereins für Obdachlose kann mögliche andere existenzielle Anliegen aufgreifen und unterstützen.
Und zum Schluss...
… ein Eindruck unserer Projektmitarbeiterin Elisabeth Draxl, welchen sie nach acht Monaten Tätigkeit in diesem Projekt festgehalten hat:
Acht Monate Selbsterfahrung auf der Straße, an Orten, von denen ich nie geglaubt hätte, dass es sie gibt, Begegnungen tiefster Erfahrung und Lernens mit Menschen, die „anders“ sind, haben mich sehr geprägt.
Allein, ohne Team und ohne feste Anlaufstelle, ohne Besprechungen oder Supervisionen, mit einer sehr niederschwelligen Dokumentation und Bürokratie, das war eine neue, zum Teil auch befreiende Erfahrung.
Die Hürden des manchmal grenzwertigen hygienischen Bildes, die unverlässlichen Terminvereinbarungen, die wechselnden Stimmungsschwankungen der betroffenen Menschen und die langsame Anbahnung haben mich meine Arbeit oft als „Liebesdienst“ im Sinne Jesus erleben lassen.
In der Haltung, Menschen anzunehmen, wie sie sich offenbaren, sie beim Wort zu nehmen und nicht durch das, was ich über sie weiß.
Ich war noch nie so klein und gleichzeitig so groß in meinem Leben. Alles was ich bin und habe, womit ich ausgerüstet bin, sind meine Person als Elisabeth in der Begegnung und im Aussetzen von Menschen, meine erworbenen Fähigkeiten, mein tiefes Grundvertrauen, keine Scheu und Angst und meinen Rucksack.
Ich durfte viel Vertrauen und Unterstützung vor allem durch unseren GF Werner Mühlböck, aber auch durch Obfrau Marina Baldauf, dem Verein für Obdachlose und dem MPT erleben.
Es ist verrückt, was du da machst, bekunden mir viele Menschen. Aber ich bin gerne bei den „Verrückten“ und ihren Lebensgeschichten, denn sie vermögen die Welt ein wenig zum Guten zu ver-rücken.