Was brauchen Menschen in ihrer letzten Lebensphase? Wie lässt sich das oft geforderte „Sterben in Würde“ praktisch umsetzen? Und wie gehen wir mit dem Recht auf Selbstbestimmung des Individuums und Gefahren um, wenn es um Fragen von lebensverlängernden Maßnahmen unheilbar Kranker geht.
Wo liegen die Gefahren wenn die Beihilfe zur Tötung auf Verlangen in Ausnahmefällen legal wird?
Die österreichische Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes (ExpertInnen aus den Bereichen Medizin, Ethik und Strafrecht) hat sich im Februar für eine Lockerung des Paragrafen 78 im Strafgesetzbuch ausgesprochen, das bedeutet: Assistierter Suizid, Beihilfe zur Selbsttötung, soll nach Empfehlung der Bioethikkommission in Ausnahmefällen möglich sein!
- Christian Haring, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie B am LKH Hall, und Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Suizidprävention
- Georg Schärmer, Direktor Caritas Tirol,
- und Elisabeth Zanon, ehrenamtlich Vorsitzende Tiroler Hospiz-Gemeinschaft
sprechen sich bei einem gemeinsamen Pressegespräch am Mittwoch 25. März 2015 öffentlich gegen eine Legalisierung des assistierten Suizids in Österreich aus!
Christian Haring:
„Die Frage ist: Soll die Gesellschaft die gesetzlichen Grundlagen für einen straffreien assistierten Suizid für Menschen in großen Notlagen schaffen. Die Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes sagt ja. Ich möchte mich dieser Meinung entgegenstellen.
Aus zwei Gründen: Erstens, für Menschen, die am Ende ihres Lebens aufgrund einer Krankheit großes Leid und unerträgliche Schmerzen erleben, besitzt die Palliativmedizin die Möglichkeit, starke Schmerzen und Atembeschwerden zu lindern.
Zweitens: Die Erfahrungen mit dem assistierten Suizid in anderen Ländern haben gezeigt, dass diese Leistungen nicht nur von terminal kranken Menschen am Ende ihres Lebens gewünscht und in Anspruch genommen werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf darauf hinweisen, dass in Ländern mit der Möglichkeit des assistierten Suizids nicht nur schwerstkranke sondern auch psychisch kranke Menschen den assistierten Suizid anstreben. Die Möglichkeit des assistierten Suizids kann eine Ausrichtung der Gesellschaft ermöglichen, die besonders ältere Menschen in kostenintensiver Pflege dazu drängen könnte, ihrem Leben als „aufrichtige, ehrliche Staatsbürger“ ein Ende zu setzen.
Völlig unklar ist auch, wer den assistierten Suizid wie leisten soll. So wie er in einigen Ländern gehandhabt wird, ist er kalt, unpersönlich und unmenschlich.“
Christian Haring
Foto: Florian Schneider
Georg Schärmer: Viele JA und ein klares Nein
„JA, ich habe große Sorge, dass das Grundgebot: „Du sollst nicht töten!“ ausgehebelt wird. JA, es erfüllt mich mit großer Sorge, dass leidende Menschen unter Druck gesetzt werden könnten, sich und anderen nicht zur Last zu fallen – und überforderte Angehörige in ihrer Verzweiflung glauben, Beihilfe zur Selbsttötung leisten zu müssen. JA, ich habe große Sorge, dass Beihilfe zur Selbsttötung zu einer einforderbaren medizinischen/ pflegerischen Dienstleistung werden könnte. Deshalb ein klares NEIN zur Veränderung der gesetzlichen Regelung in Österreich. Und ein JA zu großzügiger Hilfe und Begleitung.“
Georg Schärmer
Foto: Gerhard Berger
Elisabeth Zanon: Wenn nichts mehr zu machen ist, kann immer noch viel getan werden
„Die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft bekennt sich zum Leben und betreut das LEBEN bis zum letzten Atemzug. Seit gut 20 Jahren setzt sich die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft dafür ein, ihrem Grundsatz „selbst wenn nicht mehr zu machen ist, kann immer noch viel getan werden“ treu zu bleiben. Aus unserer medizinischen und pflegerischen Erfahrung wissen wir, dass wir immer noch etwas für den sterbenden Menschen und – das ist auch sehr wichtig- für seine Angehörigen tun können.
Die Möglichkeiten der Palliativmedizin und Pflege helfen uns, unnötiges Leiden, wie Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Ängste und andere belastende Symptome in den letzten Lebenstagen und –wochen zu lindern und so gering wie möglich zu halten.
Die vielen positiven Rückmeldungen durch Sterbende selbst und auch von ihren Angehörigen, zeigen uns, dass es Sinn macht, sich mit aller Kraft und allen Möglichkeiten für eine LEBEN bis zuletzt einzusetzen – in unserer konkreten Arbeit und in unserem gesellschaftlichen Auftrag!
Daher sehen wir bestärkt in unserer Einstellung ein klares Nein zur Beihilfe zum Suizid und zur Tötung auf Verlangen zu sagen.“
Elisabeth Zanon
Foto: Gerhard Berger
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