„Das ist mir jetzt aber peinlich“ – Scham – Hüterin unserer Würde

Beim 9. Tiroler Palliativtag mit 200 TeilnehmerInnen referierten Fachfrauen und -männer aus dem In und Ausland zum Thema „Dimensionen des Verlustes in palliativen Situationen“. Die Pflegewissenschaftlerin, Philosophin und Diplomkrankenschwester Doris Pfabigan sprach dabei über das Thema „Scham und Verlust“.

Doris Pfabigan spricht über Scham
„Ich schäme mich, wenn etwas von mir sichtbar wird, das ich gerne vor mir und anderen verborgen hätte.“ Doris Pfabigan

Was ist Scham?

Doris Pfabigan: „Scham ist die Hüterin unserer Würde, die Wächterin unserer Privatheit, die den Kern unserer Persönlichkeit schützt – nämlich unsere intensivsten Gefühle, unsere sexuellen Wünsche, Erlebnisse und Körperteile. Zugleich ist Scham der Affekt, der eine Verletzung unserer ideellen Sphäre, eine Entblößung, eine Demütigung anzeigt. Sie stellt sich dann ein, wenn ich mich vor anderen und vor mir selbst nicht als die Person präsentieren kann, die ich gerne sein möchte, also wenn etwas von mir sichtbar wird, das ich gerne vor mir und den anderen verborgen hätte. Anders gesagt, wenn man sein Gesicht verliert, wenn man aus der Rolle fällt.“

Welche Rolle spielt Scham im Kontext von Erkrankung und Sterben?

Doris Pfabigan: „In unserer Gesellschaft wird Gesundheit oft als das höchste Gut verstanden und mit Idealen wie Jugendlichkeit, Leistungsfähigkeit, Unversehrtheit und uneingeschränkter Selbstverwirklichung gleichgesetzt. Erkrankungen sind oftmals mit einem Bruch zum Körper verbunden, der bisher herzeigbar war, als schützende Hülle gedient hat und fraglos funktioniert hat. Das kann das Gefühl auslösen, mit einem objektiven Makel behaftet zu sein. Ein kranker Mensch findet sich häufig in der Situation wider, intime und für ihn beschämende Details über seine Körperfunktionen, seine Lebenssituation oder Ähnliches preiszugeben. Bei der „notwendigen“ Pflege und ärztlichen Behandlung im Krankenhaus finden fast unvermeidlich körperliche Annäherungen in einer ohnehin reduzierten Privatsphäre statt, ein Übertreten von üblichen Distanzen, ein Sehen-Können sonst verdeckter Körperteile, ein häufiges Berühren auch schambesetzter Körperteile. Die gut gemeinte Aufforderung von Pflegenden oder ÄrztInnen: „Sie brauchen sich nicht zu schämen“, hilft möglicherweise denen, die Hilfe leisten, über ihre eigenen Peinlichkeitserlebnisse hinweg. Die PatientInnen jedoch haben ein zusätzliches Problem: Zum ohnehin schon bestehenden Schamgefühl kommt hinzu, dass sie sich jetzt noch schämen, weil sie sich weiterhin schämen.“

Wie kann Scham gelindert werden?

Doris Pfabigan: „Schamkonflikte lassen sich sicher nie ganz vermeiden. Der Verlust der eigenen Körperkontrolle, der eigenen Handlungsmöglichkeiten, der gesellschaftlichen Teilhabe gefährdet als Kränkung unsere Selbstachtung. Anerkennung im Sinne von Respekt und Wertschätzung ist die Gegenspielerin von Scham und bedeutet, einer Person so zu begegnen, dass sie auch in Lebenssituationen, in der ihre Verletzlichkeit offensichtlich wird, an einem akzeptablen Selbstbild festhalten kann.“

……………..

Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über unsere Arbeit.
Hier können Sie sich anmelden!

Schlagworte

Artikel teilen

Jetzt online Spenden & liebevolle Begleitung schenken

Weitere Beiträge dieser Kategorie

Ehrenamt

Mit ehrenamtlichen Tätigkeiten das Hospiz unterstützen.

Zwei Frauen, eine sitzt im Rollstuhl

Kontakt

Leiterin Ehrenamt
Mag. Angelika Heim, MSc
+43 5223 43700 33622
von 08:00 – 15:00 Uhr

Über uns

Die Menschen des Hospiz & den Verein kennenlernen.

Kontakt

Allgemeine Anfragen
+43 5223 43 700 33 600
08:00 – 16:00 Uhr (Mo-Fr)

Akademie

Weitere Kurse ansehen und über Hospizarbeit lernen.

Kontakt

Betreuung & Begleitung

Mehr über die Hospizarbeit und das Angebot erfahren.

Kontakt

Für Betroffene & Angehörige
+43 810 96 98 78
08:00 – 20:00 Uhr (Mo-So)

Allgemeine Anfragen
+43 5223 43 700 33 600
08:00 – 16:00 Uhr (Mo-Fr)