Am 5. Oktober 2013, am diesjährigen Welthospiztag, zeigten die regionalen Hospizgruppen einen beeindruckenden Dokumentarfilm zum Thema Demenz, „Vergiss mein nicht“ von David Sieveking. Im Internet finde ich unter dem Begriff „Demenz“ folgende Definition: „Die wörtliche Übersetzung von Demenz aus dem Lateinischen lautet ‚ohne Geist sein‘ und verdeutlicht, was mit dem betroffenen Menschen passiert: Er verliert die Kontrolle über sein Denken und damit über sich selbst. Auch die Persönlichkeit des Erkrankten leidet. Sein Verhalten und seine grundlegenden Wesenseigenschaften ändern sich. Dies ist es vor allem, was den Umgang mit ihm für seine Familienangehörigen oft sehr schwierig macht. Die Demenz-Erkrankung ist eine Stoffwechselstörung des Gehirns: Nervenzellen, die den wichtigen Botenstoff Acetylcholin produzieren, sterben ab.“ Dies ist, wie alle Angehörigen demenzkranker Menschen oft leidvoll erfahren, eine große Herausforderung.
Ein demenzkranker Mensch ist laut Definition „ohne Geist“, aber niemals ohne seine Seele
Demnach ergibt es Sinn, sich zu fragen, wie man mit diesem Menschen dennoch in Beziehung bleiben kann, ihn in seinem Innersten erreichen oder berühren kann. Vielleicht ist ja mehr Körper- als Sprachkontakt gefragt? Vielleicht zwingt die Demenz uns „Menschen mit Geist“ mehr im Hier und Jetzt zu leben – weil es ein Gestern und Morgen für den oder die Demenzkranke/n nicht mehr gibt? So muss ich dankbar feststellen, dass diese Krankheit viele Fragen in mir aufwirft.
Darf man eigentlich müde sein?
Ist es in einer zivilisierten Gesellschaft nicht mehr erwünscht, sich langsam aus dem Leben zu verabschieden? Man könnte doch, aus einer anderen (vielleicht provokanten) Perspektive gedacht, die Symptome der Demenz als „gelebtes Leben“ interpretieren. Nach Jahrzehnten aktiven Lebens darf ich hoffentlich auch müde sein. Ist es in unserer Leistungsgesellschaft erlaubt, sich am Ende des Lebens zu entschleunigen? Was bin ich wert, wenn ich einmal nichts tue, nicht mehr aktiv oder leistungsfähig bin?
Ich möchte in einer Gesellschaft leben und alt werden dürfen, in der im Bewusstsein der Endlichkeit des menschlichen Seins eine liebevolle und geborgene Atmosphäre für alle gegeben ist. Niemand darf aufgrund einer anscheinend nicht heilbaren Krankheit das Gefühl haben, zu einer Last für die Familie und die Gesellschaft geworden zu sein.
Elisabeth Zanon
Vorsitzende Tiroler Hospiz-Gemeinschaft
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