Der schräge Nachbar und der Wunsch nach Frieden

Vor vielen Jahren starb auf unserer Hospiz- und Palliativstation ein älterer Mann. Die einzigen Kontaktpersonen waren zwei Nachbarinnen. Sie kümmerten sich rührend um ihn. Sie waren auch da, als wir uns am Totenbett von ihm verabschiedeten.

Die beiden Frauen sprachen von ihm als dem „schrägen“ Nachbarn. „Schräg“ im doppelten Sinn: weil er „schräg“ gegenüber ihrer Wohnungstür lebte, und „schräg“, weil er für sie kein einfacher Mensch war. Bei der Verabschiedungsfeier wandte sich eine der beiden an ihn und sagte: „Du hast uns das Leben in der Nachbarschaft nicht leichtgemacht. Du warst kein einfacher Mensch. Du warst zeitweise ein richtiger Ungustl.“ – Dann stockte sie und sagte im Tiroler Dialekt, frei von der Leber: „Aber du hasch jetzt deinen Frieden …“

„Du hasch jetzt deinen Frieden …“ – ist das nicht eine schöne Zusage, die wir einander am Ende des Lebens geben können? Und das unabhängig davon, wie dieses Leben war – ob schräg oder gerade, kantig oder rund.

„Du hasch jetzt deinen Frieden …“ – der Wunsch nach Frieden betrifft nicht nur die Gegangenen, sondern auch uns Weiterlebende. Er ist heilsam für uns, die wir zurückbleiben. Sich zu erinnern, hilft vielleicht einander sein zu lassen mit Schönem und Schwierigem. Kanten bleiben. Nicht alles muss abgerundet, „befriedet“ werden. Unvollendetes darf in ein größeres Licht gestellt werden im Vertrauen, dass es zu Ende reift, vollendet wird.

„Im Hospiz-Palliativbereich wird immer mehr von HOSPEACE gesprochen, eine Wortschöpfung aus Hospiz (hospice) und Frieden (peace)“, schreibt Werner Mühlböck, Geschäftsführer der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft. Damit wird jene Kraft ausgedrückt, die in einer hospizlichen Haltung verborgen liegt – ein Friedenspotenzial, das […] Wirkung zeigen kann, wenn es in ein Tun mündet. In der Erkenntnis, den Tod nicht bekämpfen und besiegen zu wollen, sondern Frieden mit dem Tod zu schließen, begründet sich letztlich das Friedenspotenzial der Hospizarbeit.“

Hospizarbeit konfrontiert uns mit der eigenen Verletzlichkeit und Angewiesenheit. Spürbar ist dies besonders in der Advent- und Weihnachtszeit. Gerade da ist die Sehnsucht nach friedvollen Begegnungen besonders groß. Vielleicht sollten wir ihn einander nicht nur wünschen, sondern „Frieden tun“. Aus der Erfahrung eigener Verletzlichkeit und Endlichkeit neu leben und einander zusagen: „Du hasch jetzt deinen Frieden.“

Friede den Gegangenen.
Friede den Weiterlebenden.
Friede, Shalom, Salam uns allen.

Christian Sint und Romana Thurnes

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