Ein Herz haben für die, denen es miserabel geht

Zum Abschied von Elisabeth Draxl als langjährige Pflegedienstleitung hat Christian Sint, Seelsorger, beim Gottesdienst folgende Ansprache gehalten.

Was ist das für ein Mensch? Wofür hat er gelebt?“ Immer wieder einmal hast du Elisabeth diese Fragen gestellt, bei interdisziplinären Besprechungen, bei Übergaben: Wenn wir über eine Patientin, einen Patienten biographisch wenig wussten. Wenn wir ratlos waren, weil er oder sie schwierig, herausfordernd, abweisend war.

„Was ist das für ein Mensch? Wofür hat sie gelebt?“ Deine Fragen animierten über das körperliche Befinden, über die reine Pflege hinaus zu schauen, Menschen in ihrer Ganzheit zu sehen. Und mich als Seelsorger ermutigen deine Fragen tiefer zu schauen, nochmals zu den PatientInnen hinzugehen, mit ihnen zu reden, sie zu fragen: „Was war ihnen im Leben wichtig und heilig?“ Diese Fragen berühren den Kern eines Menschen. In jedem Menschen ist ein wahrer, ein guter Kern. Und dieser wahre, gute Kern in jedem Menschen ist durch die vielen Schläge des Lebens, durch Leiden, Kränkungen, durch Verletzungen vielfach verschüttet. Gerade wenn das Leben zu Ende geht, sind Menschen dankbar, dass dieser gute, heile Kern von uns gesehen, gepflegt, behutsam berührt wird. So sagte mir ein vor einer Woche verstorbener Patient einige Tage vor seinem Tod: „Dass sie an das Gute in mir glauben, nach so einem verpfuschten Leben, das tut mir unheimlich gut.“

Der gute, wahre Kern: Man könnte es auch anders sagen: In jedem Menschen wohnt Heiliges, Göttliches: In jedem Menschen wohnt Gott. Ich weiß, was ich da sage, klingt anspruchsvoll. Die jüdisch christliche Bibel drückt es noch stärker aus. „Jeder Mensch ist Abbild Gottes.“ Dass jeder Mensch Abbild Gottes ist, dieser Satz kommt einem leicht über die Lippen, wenn der Umgang mit einem Patienten fein ist. Aber was ist, wenn ein Patient schwierig ist und man ihn am liebsten auf den Mond schießen würde. Da tut es gut zu wissen, ich muss diesen Menschen nicht aushalten, Gott hält ihn aus.

880 - ikone

Jeder Mensch ist Abbild Gottes. Das ist für mich die Gedankenbrücke zu dieser Ikone. Ikonen sind bekanntlich Fenster in die Ewigkeit. In ihnen drückt die Mystik der christlich orthodoxen Kirchen die tiefe Überzeugung aus, dass wir Menschen Abbild von einem Urbild sind. Ikonen verbinden unsere Welt mit der göttlichen Welt. Hier ist eine Ikone nach einem kretischen Vorbild. Diese Ikone gehört zum Bildtypus der „Eleousa“, „die Erbarmende“. Maria ist mit Jesus dargestellt. Ein Bild voll Hinwendung, Zuwendung. Mutter und Sohn schmiegen ihre Wangen zärtlich aneinander. Die Mutter sorgt sich um das Kind. Aber auch der erwachsen wirkende Sohn sorgt sich um die Mutter. Es ist eine gegenseitige Sorge füreinander. Ein Betrachten, Meditieren dieser Ikonen ist Therapie für die eigenen Wunden, für die eigenen Kränkungen und Verletzungen. Das wussten die Menschen des Ostens an allen Orten, zu allen Jahrhunderten.

Diese Ikone der „Eleousa“ kann uns sagen, worauf es letztlich ankommt. Bei Gott zählen Wertschätzung, Annahme und Erbarmen. „Erbarmen“ aus dem lateinischen Wort „misericordias“ sagt im Grunde: ein Herz haben für die, denen es mies, miserabel geht.

Ikonen wie diese der „Eleousa“ nur anzuschauen wäre zu wenig. Dieses Urbild soll abfärben auf unser Leben. Das kann heißen: Ein Herz haben für die, denen es miserabel geht. Sich für Menschen einsetzen ganz nach der Logik Gottes, wie wir im Evangelium hörten „Er stürzt die Mächtigen von Trohn und erhöht die Niedrigen! Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Volkes Israel an und denkt sein Erbarmen.

Liebe Elisabeth! 20 Jahre warst du – mit Unterbrechungen – für die Tiroler Hospiz Gemeinschaft tätig. 20 Jahre mit viel Herz, manchmal über deine Grenzen hinaus. Hospiz war, ist dein Leben. Es gäbe viel zu sagen. Einen Aspekt möchte ich aufgreifen. Du hast ein Herz. Du warst da für diejenigen, denen es wirklich miserabel geht: für PatientInnen, für trauernde Angehörige, immer wieder auch für MitarbeitInnen, die durch schwere Zeiten gingen. Kindern, Obdachlosen galten deine besondere Aufmerksamkeit. Dass das Hospiz eine „Herberge für viele“ ist, an dieser Weite hast du entscheidend mitgebaut und bist dafür gerade gestanden.

Ich möchte dir diese Ikone schenken als Dank dafür. Auch als Dank für deine Unterstützung mir persönlich gegenüber und für Seelsorge und Spiritualität. Der Bereich der Seelsorge war dir in der kollegialen Leitung nicht nur zugeordnet sondern ein Herzensanliegen. Danke für deine Treue auch zur christlichen Wurzel aus der die Tiroler Hospiz Gemeinschaft entstanden ist.

Ich möchte dir diese Ikone bewusst auch schenken für dein Weitergehen. Du wechselst den Ort, aber nicht die Hospizhaltung. Diese Ikone wurde von Erika Nagele wurde 14 Tage im meditativen Gebet „geschrieben“, wissend um deine Arbeit am Hospiz und dein Weitergehen. Sie soll dich, aber auch uns, die wir heute da sind, erinnern:

In mir, in dir, in jeder, in jedem von uns lebt Heiliges, Göttliches, Gott. Als Abbilder Gottes tragen wir die Verantwortung, dass das Bild des Menschen nicht zerstört wird.

Haben wir weiterhin ein Herz für die, denen es miserabel geht.

 „Was ist das für ein Mensch. Wofür hat er gelebt?“ Die Größe Gottes zeigt sich im Menschen der lebt, auflebt. „Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch“.

Christian Sint, Seelsorger

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