Robert Profunser, der neue Pflegedirektor in der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, im Gespräch mit Maria Streli-Wolf
Wolltest du immer schon Pfleger werden?
Nein, aber als Zivildiener vor 26 Jahren war ich in zwei sehr unterschiedlichen Bereichen im Einsatz. Zum einen musste ich hochschwangere Frauen in den Kreißsaal bringen und zum anderen war ich auf der Frauenonkologie tätig. Ich war also mit dem Anfang und auch dem Ende des Lebens konfrontiert, und so kam ich als junger, unerfahrener Zivildiener mit dem ganzen Spektrum des Lebens in Berührung. Alle anderen wollten vom Thema Tod und Sterben eigentlich nichts hören und auch nicht darüber sprechen. Mich hat es aber von dieser Zeit an sehr berührt und ich hatte es immer im Hinterkopf, es war eine gewisse Resonanz mit diesem Thema in mir. Durch die Beschäftigung mit dem Tod und dem Sterben kam ich mit den für mich wesentlichen Fragen des Lebens in Berührung und so auch mit der Frage, was im Leben Sinn hat. Das hat mich von meinem Zivildienst an immer fasziniert. Dennoch führte mich mein Weg nach dem Zivildienst nicht direkt in die Pflege. Ich bin sozusagen in die Finanzbuchhaltung „hineingerutscht“. Obwohl ich dort zehn Jahre für eine tolle Organisation arbeitete, wurde meine innere Stimme immer lauter. Zu meinem 30er war ich in einer großen Lebenskrise und flog nach Indien. Dort erinnerte ich mich wieder an meine Erfahrungen im Zivildienst und fragte mich ernsthaft, warum ich mein berufliches Dasein nicht noch einmal ganz neu denken sollte. So entschied ich mich zur Umschulung und begann die Ausbildung zum Diplomkrankenpfleger. Damals schon wusste ich, dass ich irgendwann im Bereich von Hospiz und Palliative Care arbeiten möchte.
Was macht die Arbeit trotz ständiger Berührung mit dem Sterben und dem Tod so besonders?
Nach der Ausbildung war ich auf der Strahlentherapiestation auf der Klinik in Innsbruck. Das war genau richtig für mich, weil man auch dort mit den existenziellen Themen des Lebens konfrontiert ist. In den Nachtdiensten hatte ich oft nahen Kontakt mit den Patient*innen und es ergaben sich Gespräche, die in die Tiefe führten. Außerdem hatte ich wesentlich mehr Zeit für die Patient*innen als auf anderen Stationen. Nach sieben Jahren Pflege am Bett wurde ich Stationsleiter und war als solcher weitere vier Jahre dort tätig.
Ich hatte schon im Hinterkopf, dass ich irgendwann hier bei der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft auf der Palliativstation arbeiten möchte. Dass ich jetzt als Pflegedirektor hier tätig sein darf, ist für mich ein großes Geschenk. Im Gegensatz zur Klinik, wo die Heilung von der Krankheit der Fokus des Tuns ist, steht bei der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft die Lebensqualität im Mittelpunkt unseres Wirkens. Das bringt, finde ich, eine gewisse Entspannung mit sich, auch wenn das für viele im Angesicht des Sterbens absurd klingen mag. Aber diese Umorientierung weg von der Heilung zu mehr Lebensqualität macht in mir einen Raum frei.
Was fordert dich bei deiner neuen Aufgabe besonders heraus?
Ich bin von meinem Naturell her ein bisschen ein „Streber“, der alles möglichst schnell wissen möchte. Da mein Aufgabengebiet hier aber sehr groß ist und ich erst am Anfang stehe, fordert es mich noch sehr heraus, nicht alles zu wissen. Ich brauche naturgemäß einfach noch Zeit. Hier im Hospiz erlebe ich eine ganz eigene Welt, auf die ich mich noch einschwingen muss. Interdisziplinarität, also das enge und ganzheitliche Zusammenarbeiten der verschiedenen Berufsgruppen, erfordert eine intensive Abstimmung mit den einzelnen Bereichen. Das heißt, dass ich meine Gewohnheit, Entscheidungen schnell und alleine zu treffen, verändern muss. Das eigene Süppchen kochen kann ich hier nicht, und das ist auch gut so. Aber ich muss zugeben, dass das ein Lernprozess für mich ist, der mich darin fordert, mein Tun intensiv mit dem Team abzustimmen.
Bist du auch schon in deinem Privatleben mit dem Tod und dem Sterben in Berührung gekommen?
Vor drei Jahren ist meine Mutter bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Seitdem habe ich, obwohl ich beruflich seit vielen Jahren mit Sterben, Tod und Trauer zu tun habe, nochmals einen anderen Zugang dazu. Ich habe unmittelbar erfahren müssen, was es heißt, einen nahestehenden Menschen viel zu früh und von einem Moment auf den anderen zu verlieren. Ich habe Ohnmacht und Trauer durchlebt und kann daher ein kleines Stück mehr erahnen, was Angehörige durchleben und durchleiden müssen.
![Robert Profunser und seine Hündin Emma](https://www.hospiz-tirol.at/wp-content/uploads/2025/01/Foto-Emma_Robert-488x650.jpg)
Deine Hündin Emma ist immer wieder Gast bei uns. Was bedeutet und gibt sie dir?
Alles (lacht). Nachdem ich keine Kinder habe, ist meine Hündin Emma, die ich aus einer ehemaligen Beziehung jede zweite Woche bei mir habe, unglaublich wichtig für mich. Wenn ich beispielsweise am Wochenende faul bin und nicht recht weiß, was ich tun soll, gibt mir Emma eine notwendige Struktur. Bei jedem Wetter bin ich gezwungen hinauszugehen, und das tut mir gut. Außerdem lehrt sie mich, mich selbst zurückzunehmen und zu spüren, was sie braucht, damit es ihr und uns gut geht. Sie hilft mir auch, gewisse Dinge leichter und gelassener zu nehmen. Wenn Haare auf dem Boden sind, dann hat mich das früher unheimlich gestört, jetzt gelingt es mir immer mehr, darüber hinwegzusehen. Diese Gelassenheit wirkt sich auch auf andere Bereiche aus. Der Blick auf mein Leben „durch die Augen meiner Hündin“ relativiert vieles.