Langeweile scheint vielen Menschen im Advent und in der Weihnachtszeit abhanden gekommen zu sein. Sogar dieses Jahr erzählen mir Bekannte und Freundinnen, dass sie im Stress sind und noch dieses und jenes erledigen „müssen“. Ich habe eigentlich gedacht, es gibt weniger Stress und mehr Entspannung, wenn wir weniger Möglichkeiten haben, unterwegs zu sein.
Aber auch unabhängig von Weihnachten gibt es für uns viele Angebote, uns nicht zu langweilen. Wir können ein Buch lesen, uns vom Fernseher berieseln lassen, ein Hörbuch beim Bügeln hören, das Smartphone zur Hand nehmen… Ich ertappe mich selber oft dabei, wie ich im Bus, an der Bushaltestelle oder am Küchentisch am Handy klebe oder meinen Kalender durchblättere – eigentlich ganz unnötig, irgendwie aber auch Gewohnheit, wenn ich gerade nichts zu tun habe. Fällt es mir auf, dann lege ich die Dinge wieder weg und denke mir: „Jetzt langweile ich mich einfach ein bisschen!“
Langeweile kann sich paradox anfühlen. Sie kann eine innere Unruhe sein, wenn ich nicht weiß, was ich mit meiner Zeit (und mit mir) anfangen soll. Sie kann bei bestimmten Gelegenheiten auftreten, etwa im Wartezimmer beim Arzt. Sie kann sich bei Dingen einschleichen, die ich einmal gerne gemacht habe, die mich jetzt aber irgendwie nicht mehr interessieren oder reizen. Vielleicht war die eine oder der andere von euch in den Lockdowns dieses Jahres ganz schön gelangweilt.
Die Langweile kann aber auch eine Verschnaufpause für den Kopf sein: wenn er einfach einmal nichts tun darf. Ich habe einmal in einem populärwissenschaftlichen Buch gelesen, dass Langeweile wichtig für unser Gehirn ist und dass es dann wieder kreativer sein kann. Es ist wichtig, in einer Welt der ständigen Reize auch gegenteilige Momente zu schaffen, in denen sich Körper, Geist und Seele entspannen und erholen können.
Manchmal kommen genau dann gute Ideen, wenn man sich nicht krampfhaft mit dem Thema beschäftigt, sondern seinen Gedanken freien Lauf lässt. In einem langweiligen Moment merkst du vielleicht, dass es dich eigentlich gar nicht interessiert, was du da anschaust oder tust. Langeweile kann eine Chance sein, die Aufmerksamkeit schweifen zu lassen und zu warten, auf was ich stoße. Ich kann mir Gedanken über meine Zukunft, Träume und Pläne machen. Ich bin offen für Neues und bemerke Kleinigkeiten, die ich sonst gar nicht wahrnehme, z. B. das neue Blatt an der Zimmerpflanze.
Der Engel der Langeweile schenke dir Zeit, um einfach zu sein. Er helfe dir, dich nicht gleich wieder (mit etwas anderem) zu beschäftigen. In Phasen, wo du dir Langeweile wünschst, zeige er dir die richtigen Momente in deinem Leben dafür. Der Engel der Langeweile schenke dir Ruhe und Entspannung. Er unterstütze dich, auch langweilige Momente oder Zeiten als Geschenk anzunehmen – als Geschenk für dich.
Anregung für den Tag:
Halte inne und langweile dich! Lass deine Seele baumeln, sei einfach und schau, was passiert. Ganz nach dem Spruch: Wenn du der Langweile Aufmerksamkeit zuwendest, wird sie unglaublich interessant. (Jon Kabat-Zinn)
Adventimpuls, 21.12.2020
Lea Ströhle