Keine Sorge: die Hausbrandmeldeanlage ist ausgeschaltet, wenn wir – Werner Mühlböck, Geschäftsführer der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, und ich – heute Vormittag mit Weihrauch und Weihwasser durchs Hospizhaus gehen.
Den guten alten Tiroler Brauch des Räucherns pflegen wir seit Jahren, am Tag vor Weihnachten. Warum tun wir das? Wir wollen bewusst die Menschen, unser Leben und Arbeiten in einen größeren Horizont, in den Horizont Gottes stellen. Gerade im Hospizhaus erfahren wir, wie zerbrechlich unser aller Leben ist und wie sehr wir auf Hilfe, auf Kräfte in und außerhalb von uns, auf „Segen“ angewiesen sind.
Segnen kommt vom lateinischen „signare“, was bedeutet: mit einem Zeichen versehen, bezeichnen, siegeln, besiegeln. Christlich gesprochen das Zeichen des Kreuzes machen, das auch ein Symbol für Auferstehung, Erlösung, Heil ist. Unseren Segensgang durchs Haus beginnen wir bewusst mit einem Kreuzzeichen. Wenn frühere Christen sich mit dem Kreuz bezeichnet haben, so wollten sie damit die Liebe Christi auch in alles Gegensätzliche und Widersprüchliche ihres Leibes und ihr Seele einritzen.
Bei unserem Räuchergang durch die einzelnen Räume des Hauses gesellen sich immer wieder Mitarbeitende zu uns, gehen ein Stück mit. Wir erzählen uns, was in dem zu Ende gehenden Jahr in jedem einzelnen Raum erlebt worden war, was schön und schwer war. Wir erinnern uns an die Menschen, die hier gelebt und gestorben sind. Und wir bitten um einen guten Geist und eine gute Zukunft.
Segnen kommt auch vom lateinischen „benedicere“, was heißt: Gutes sagen, gut sprechen über jemanden. Gerne werden wir bei unserem Räuchergang von Patient/innen in die Zimmer eingeladen. Der Duft von Weihrauch ist überall zu riechen. Weihrauch reinigt.
Und Weihrauch erinnert viele an Weihnachten, an früher Erlebtes. Manche erzählen wie sie daheim Weihnachten feiern. Beim Verabschieden von den Patient/innen wünschen wir einander – ganz im Sinne von „Gutes sagen“: „frohe, friedvolle, gesegnete Weihnachten“. Und das in eine ungewisse, aber gewiss von Segen getragene Zukunft hinein.
Der „Engel des Segnens“ möge dich erinnern, dass einiges, aber nicht alles von dir, von uns abhängt. Du kannst bewusst dich, die Menschen, dein Leben und Arbeiten, dein Zuhause, deinen Arbeitsort in den Horizont Gottes stellen. Wenn es für dich passt, dann bezeichne dich mit dem dichtesten Segenszeichen, mit dem Kreuzzeichen. Lass dir mit diesem Zeichen die bedingungslose Liebe Gottes zusagen, mitgeben, „einritzen“, damit du dich in allen Gegensätzen und Widersprüchen mit allen Sinnen geliebt und getragen fühlst.
Du kannst auch selbst zu einem „Engel des Segens“ werden, indem du „Gutes zusprichst“, Dir selbst, anderen und in den Teams, Gemeinschaften, in denen du lebst und wirkst.
Anleitung für den Tag:
Halte inne. Was, wen möchte ich auf Weihnachten hin bewusst in den Horizont Gottes stellen? Was soll gereinigt werden? Wen möchte ich segnen? Für wen will ich um einen guten Geist, einen guten Weitergang bitten?
Adventimpuls, 23. Dezember 2020
Christian Sint