„Du bist schuld!“. Schon als Kind riefen wir einander beim Spielen im Sandkasten die Schuld zu und bewarfen uns mit Sand. Als Erwachsene geht das „Spiel mit der Schuld“ weiter. Geht was daneben, neige ich schnell dazu, eine/n Schuldige/n zu finden: mich selbst, mein Gegenüber, wen anderen …
Die Tendenz, nach Schuldigen zu suchen, ist in der Coronazeit gestiegen. In der Unsicherheit und ständigen Überforderung, die dieses Virus mit sich bringt, neigen wir dazu, einzelne Menschen, Gruppen als Schuldige zu benennen. Wir sind geradezu fixiert auf das Versagen von Menschen, von Institutionen, von der Politik. Wer hat Schuld an der steigenden Zahl an Coronainfizierten? Wer hat Schuld, dass der Lockdown so lange geht? Wer hat Schuld, dass die Impfungen nicht schneller gehen?
Was sich gesamtgesellschaftlich abspielt, ist im Coronaalltag auf subtile Weise unter uns gegenwärtig, in schnellen Urteilen wie: „Der nimmt es nicht so genau mit dem Abstand.“ „Die setzt die Maske nicht richtig auf.“
Hand aufs Herz: Durch Schuldzuweisungen wollen wir Verantwortung abgeben und hoffen, „aus dem Schneider“ zu sein. Sie sind Versuche, nicht belangt zu werden und als Unschuldige auszusteigen. Schuldzuweisungen sind nicht selten ein Hinweis auf Entmutigung, Resignation, Fluchttendenzen. Sie sind ein Frühwarnsystem in Krisen.
Wie mit schnellen Urteilen, mit oberflächlichen Schuldzuweisungen umgehen?
- Manchmal wird es notwendig sein, wie Kirsten Westhuis schreibt, zunächst abzuwarten, nachzudenken, sich an die eigene Nase zu packen, Klappe zu halten. „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ (Joh 8,10)
- Manchmal wird es notwendig sein, auf menschliche Fehler, auf Versagen hinzuweisen, Schuld nicht zu vertuschen oder gar zu verharmlosen, Schuld beim Namen zu nennen. Dabei gilt es sich zu fragen aus welcher Haltung urteile ich? Aus Überheblichkeit, Besserwisserei, Unverwundbarkeit? Geht es um Wahrheit, um Gerechtigkeit?
- Manchmal wird es notwendig sein, sich zu erinnern, dass nicht alles in unserem Machtbereich liegt, dass es Umstände gibt, wo keine/r schuldig ist. Dass etwa Covid 19 und somit eine Pandemie unser aller Leben lahmlegt, daran hat keine/r Schuld weder die Politik noch wer anderer.
- Manchmal wird es notwendend sein, für (m)ein Versagen einzustehen, Verantwortung zu übernehmen, sich zu entschuldigen. Wer sich ent-schuldigt, der/die übernimmt Verantwortung.
Entschuldige! – meint: Ich sehe meinen Teil und trage die Verantwortung dafür. Du siehst deinen Teil und trägst die Verantwortung dafür – und nun lass uns weitergehen.
Ich bin so schnell in meinem Urteil.
Ja. Nein. Gut. Schlecht. Schwarz. Weiß.
So einfach ist das.
Es reicht der Blick. Dann fällt es.
Schnell und hart.
Das Urteil.
Guillotinenhaft.„Die spinnt doch.“
„Der hat sie doch nicht mehr alle.“
„Meine Güte, wie kann man denn
so dämlich sein.“Jesus malt in den Sand.
Warum, das habe ich nie verstanden.Jetzt weiß ich´s:
…
Er verordnet allen Schafrichtern und
Schnellurteilen eine Denkpause.„Wer von euch ohne Sünde ist,
der werfe den ersten Stein.“
Abwarten.
Nachdenken.
An die eigene Nase packen.
Klappe halten.Ich will in den Sand malen,
bevor mein Urteil fällt.Kirsten Westhuis
Fastenimpuls Mittwoch 17. März 2021
Christian Sint, Seelsorger