Ausschnitt aus der Predigt von Christian Sint, Seelsorger an der Hospiz und Palliativstation Innsbruck:
„was ich
zulasse,
ausspreche,
hinlege,
übergebe,
kann mich
befreien,
erlösen …“
Frau Maria (68 Jahre) war Patientin auf unserer Hospiz- und Palliativstation. Als sie zu uns kam, war sie schon zwei Jahre bettlägrig. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, lag regungslos im Bett. Sie brauchte Hilfe, zum Drehen und Wenden, im Bett, zum Essen, Trinken und Waschen. Gewebsschädigungen im Gehirn und in der Folge auch Schädigungen von Nervenzellen- und bahnen führten bei ihr zu ausgedehnten Lähmungen. Sie hatte Schmerzen am ganzen Körper. Das lange Liegen hatte offene Stellen am Körper verursacht. Schmerztherapie und eine gute Pflege waren in ihrer letzten Lebensphase besonders gefragt.
Trotz aller Schmerzen war es möglich, sich mit Frau Maria zu verständigen, auch wenn sie oft schwer zu verstehen war. Ihre Tochter erzählte mir, dass sie Monate zuvor in einem Krankenhaus knapp vor dem Sterben gewesen war, aber irgendetwas schien sie zurückzuhalten.
„Ich muss es noch dem sagen, den es betrifft.“
Eines Nachts offenbarte sie einem Pfleger, dass sie etwas bedrückt. Am Morgen erzählte sie mir, was sie schon seit über 25 Jahre belastete. Da die Frau sehr gläubig war, und sie es wünschte, kam ein Priester, der ihr in einer Beichte die Lossprechung gab. Danach fragte ich sie: „Und jetzt passt es?“
„Nein“, sagte sie, „ich muss es noch dem sagen, den es betrifft. Aber ich habe Angst, dass ich ihn kränke und er mich nicht mehr liebt.“ Ich ermutigte sie, es ihm zu sagen und bot ihr meine Hilfe an. Da kam der für sie wichtige Mensch und sie erzählte ihm alles, ganz allein. Und dieser musste schon tief schlucken. Aber schließlich endete alles in einer Umarmung. Stunden später, es war nach Mitternacht, starb Frau Maria. Sie konnte seelenruhig heimgehen.
„Was ich zulasse, ausspreche, ablege, hingebe, kann mich befreien, erlösen.“ Das können wir Lebenden von Frau Maria lernen.