Hilft beten in Krankheit?

Beim monatlichen Gebet für die Kranken in der Innsbrucker Jesuitenkirche am 4. März 2017 hat Christian Sint, Seelsorger, folgende Gedanken gesprochen:

„Das viele Beten hat nichts genützt. Ich selbst hab gebetet. Viele haben für mich gebetet. Ich werde nicht gesund. Ich werde wohl an dieser Krankheit sterben“. Mit diesen Worten hat mir eine Frau ihre Verzweiflung mitgeteilt. „Warum Gott ihre Gebete nicht erhöre“, fragt sie mich? „Warum er ihr nicht helfe?“ Als die junge Frau dies sagte, fließen auch bei mir Tränen. Ich stehe an, habe keine Antwort berat. Ich schweige. Ich kann mit ihr nur mitklagen, mitfragen: „Warum? Ja warum?“ Ich kann ihre Fragen, ihre Ängste nur mitaushalten.

Hilft beten in Krankheit?

  1. Es gibt inzwischen einige Untersuchungen und empirische Belege dafür, dass Gebete die Krankheitsprognose positiv beeinflussen. Das heißt Menschen, die beten, tun sich leichter Krankheit zu bewältigen. Menschen, die beten bringen eine größere Wahrscheinlichkeit mit, wieder gesund zu werden. Die Untersuchungen führen dabei folgende Argumente an: Betende Menschen fühlen sich eingebettet in einen größeren und weiteren Sinnhorizont. Sie wissen um Gott. Zugleich fühlen sie sich eingebettet in eine größere Gemeinschaft. Das Wissen, dass andere beten, dass andere für mich beten, bestärkt und ermutigt. Die Untersuchungen kommen zum Schluss: Beten ist gesund.
  2. Ich möchte eine persönliche Erfahrung dazulegen. Beten hilft in Distanz zu treten mit der Krankheit, die oft das ganze Leben, ja alles in Griff hat. Betende schaffen sich im Beten eine innere heile Insel. Beten befreit vor der Versuchung selbst Götter sein zu müssen, dass alles von mir und der besten Medizin abhängt. Wer betet, sagt sich: „Es hängt vieles, aber nicht alles von mir ab.“ Er oder sie legt das Leben in größere Hände.
  3. Die Bibel kennt für Beten viele Ausdrucksweisen. Beten ist klagen, ringen, zweifeln, kämpfen, reden mit mir selbst und mit Gott. Beten ist kein Monolog sondern Dialog. In der Sprache Jesu, also auf aramäisch, heißt Gebet „Slotha“. Der Wortstamm bedeutet „eine Falle stellen“ oder „eine Schlinge legen“. Man könnte sagen: Beim Beten versuchen wir den Heiligen Geist einzufangen. Dann kann er seine erlösende und bewegende Dynamik entfalten. Es weht ein anderer Wind. Es wirkt ein schöpferischer Geist. Dinge fügen sich. Es wächst eine innere Kraft sich dieser Fügung anzuvertrauen. An der Grenze des menschlichen Verstandes können wir nichts mehr tun, aber wir können uns empfänglich machen.

Welchen Sinn hat beten aber, wenn kranke Menschen vielleicht heiler, aber letztlich nicht gesund werden?

Ich möchte zurückkehren zur eingangs erwähnten Frau. Nach einer Zeit des Weinens und Klagens, nach einer Zeit des gemeinsamen Aushaltens –da sind wir ja schon mitten im Beten- habe ich Frau Maria gesagt: „Ich werde weiterbeten, mit ihnen, für sie.“

Beten ist letztlich ausgerichtet sein auf ein größeres Du, auf Gott. Beten ist dranbleiben, unabhängig vom Ergebnis. Im Gebet warten wir auf das Aufgehen der Sonne, auch wenn es lang, vielleicht zu lange dauert. Im Gebet halten wir alles auf ein Morgen hin. Gott möge uns die Kraft geben, alles, was kommt, – wie man in Tirol sagt – zu „dapocken“.

Christian Sint, Seelsorger auf der Hospiz- und Palliativstation

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