„Die Vorstellung, dass Sterbende, die nicht mehr essen, verhungern oder verdursten müssen, macht große Angst.“ Elisabeth Draxl im Gespräch mit Maria Streli-Wolf
„Der schlimmste Moment am Tag ist, wenn das Essen kommt und alle um mich herumsitzen und warten, bis ich aufgegessen habe.“ An diese Worte eines Patienten, der nicht mehr essen wollte, erinnert sich Elisabeth Draxl, Pflegedienstleiterin der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, noch ganz genau. Sie beschreiben eindrücklich, wie sich viele sterbende Menschen fühlen, wenn von ihnen erwartet wird, dass sie genügend Nahrung zu sich nehmen.
Die Angst, dass sterbende Menschen, die nicht mehr essen und trinken, qualvoll verhungern oder verdursten müssen, ist weit verbreitet. Dabei ist es meist ein natürlicher Vorgang, im Sterben wenig oder auch gar kein Bedürfnis nach Essen und Trinken zu haben. „Schließlich nimmt im Sterben insgesamt das Interesse an der Außenwelt ab. Man kann beobachten“, so Elisabeth Draxl, „wie sich Sterbende immer mehr nach innen richten und von materiellen Bedürfnissen verabschieden. Viele Sterbende fühlen sich im wahrsten Sinne des Wortes einfach ‚lebenssatt‘.“ Hinzu kommt, dass in der Sterbephase Nahrung und Flüssigkeit weniger gut aufgenommen und verarbeitet werden können.
Wenn Liebe (nur) durch den Magen geht
Dieses Empfinden steht allerdings oft den Gefühlen und Erwartungen und dem Wissen der Angehörigen entgegen. Oft empfinden sie es als Zurückweisung oder persönliche Kränkung, wenn der Mensch, den sie begleiten, kaum oder gar nicht mehr essen und trinken möchte. Wenn „Liebe (nur) durch den Magen geht“, kann man sich gut vorstellen, wie häufig Ernährung mit Zuwendung, Liebe und Beziehung verknüpft wird. Immer wieder erlebt Elisabeth Draxl, dass Angehörige Druck ausüben und jede Mahlzeit für alle Beteiligten zur Qual wird. „Wenn diese Form von Zuwendung über das Essen verweigert wird, entsteht in der Beziehung zuerst eine gewisse Leere, die vielleicht Angst macht.“
Weniger Flüssigkeit – mehr Wohlbefinden
Es ist aber erwiesen, dass zu viel Nahrung und vor allem auch Flüssigkeit den Sterbeprozess eher erschweren als erleichtern. Sterbende, die kaum oder sehr wenig trinken, bekommen leichter Luft, sind weniger verschleimt, müssen weniger erbrechen und haben insgesamt eine geringere Ausscheidung. Durch die Austrocknung kommt es außerdem zu einer intensiveren Ausschüttung von Endorphinen, was wiederum eine schmerzstillende Wirkung hat. „Man kann durchaus sagen, dass wir ein körpereigenes Selbstregulativ in uns haben, dem wir im Sterben mehr Vertrauen schenken sollten.“
Mundtrockenheit kann gut gelindert werden
Allerdings leiden viele Sterbende an einer starken Mundtrockenheit. „Der Grund dafür ist aber nicht, dass sie zu wenig essen oder trinken“, so Elisabeth Draxl. Es sind häufig die Nebenwirkungen von Medikamenten, eine geringere Speichelproduktion oder das Schlafen mit offenem Mund, die die Mundschleimhaut stark austrocknen lassen. Studien belegen, dass Sterbende neben Schmerzen, Atemnot und Übelkeit Mundtrockenheit als besonders belastend und quälend empfinden.
Daher ist die Pflege der Mundhöhle und die regelmäßige Befeuchtung der Mundschleimhaut besonders wichtig. „Einfache Mittel, wie mit Flüssigkeit getränkte Wattestäbchen oder die tröpfchenweise Befeuchtung der Mundschleimhaut, helfen dabei, zwei elementare Bedürfnisse sterbender Menschen zu stillen.
Wir können einerseits dem sterbenden Menschen körperlich Erleichterung und mehr Wohlbefinden verschaffen und andererseits, und das ist mindestens genauso wichtig, die gefühlte Leere des Nicht-mehr-Essens mit Zuwendung und Nähe füllen.“
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