Bettina Kuppelwieser, seit vergangenem September Ärztin auf der Palliativstation, im Gespräch mit Maria Streli-Wolf
Was hat dich zu uns geführt?
Das waren zweierlei Erfahrungen, einerseits beruflich und andererseits privat. In der Anästhesie und vor allem in der Intensivmedizin, in der ich vorher tätig war, hatte ich oft mit Patient*innen Kontakt, die dann verstorben sind. Ich habe schon damals gemerkt, dass ich als Ärztin Menschen in der Phase des Sterbens gut beistehen kann und dass mich das erfüllt. Und als Tochter habe ich meine Mama am Ende des Lebens begleitet. Sie war auf der Palliativstation in Südtirol, ich war sehr viel bei ihr und konnte durch die große Unterstützung dort Tochter bleiben und Verantwortung abgeben. So hatten wir noch eine gute Zeit zusammen. Diese Erfahrungen haben mich so positiv geprägt, dass ich jetzt hier als Ärztin bin.
Haben sich deine Erwartungen an die Arbeit hier erfüllt?
Der Kontakt und Austausch zwischen Patient*innen, Angehörigen, Pflegenden, Ärzt*innen und anderen Betreuer*innen ist hier auf der Palliativstation im Hospizhaus sehr intensiv und auf Augenhöhe. Das hat meine Erwartungen sogar übertroffen. Und endlich habe ich in meiner Arbeit tatsächlich die Zeit, die ich mir für mich und die Patient*innen wünsche. Ich kann hier wirklich helfen, nicht nur auf medizinischer Ebene, sondern ich kann auch als Mensch da sein und lerne den Menschen mir gegenüber auch kennen. So steht nicht nur die Krankheit im Fokus, sondern der ganze Mensch mit seinem Umfeld. Das ergibt für mich Sinn und erfüllt mich.
Erinnerst du dich an ein besonderes Erlebnis?
Kurz nach meinem Arbeitsbeginn haben wir einen Patienten aufgenommen. Er hatte einen metastasierenden Krebs. Ich führte viele Gespräche mit ihm durch schwierige Zeiten hindurch. Kurz bevor er gestorben ist, hat er sich noch bei mir bedankt und mir gesagt, dass ich genau so weitermachen soll, weil ich ihm so viel gegeben hätte. Das hat mich berührt und mich bestärkt, hier richtig zu sein. Insgesamt ist es schön zu erleben, dass menschliche Zuwendung, ob ich jemanden berühre oder ihm aufmerksam zuhöre, Leiden und Schmerzen lindern kann.
Im Hospiz wird das Sterben und der Tod nicht versteckt. Wie geht ihr mit Patient*innen um, die das verdrängen wollen?
Insgesamt beobachte ich hier im Hospizhaus die ganze Bandbreite des Umgangs mit dem Sterben. Patient*innen, die im Aufenthaltsraum sitzen, sehen beispielsweise, dass ein Sarg gebracht wird. Das sind schon spezielle Situationen. Manche sehen der Tatsache des Todes ganz offen in die Augen, andere wollen es überhaupt nicht wahrhaben. Wenn jemand nicht über sein Sterben oder den Tod sprechen möchte, dann ist das grundsätzlich immer zu respektieren. Wir wissen ja nicht, was für diesen Menschen der richtige Weg ist. Wenn ich aber spüre, dass es da doch etwas gibt, was den Menschen in dieser Richtung beschäftigt, kann es natürlich auch sein, dass dieser Mensch mit mir nicht darüber sprechen möchte. Dann ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser Mensch die Möglichkeit bekommt, mit jemand anderem, beispielsweise mit einer Psychologin oder einer Seelsorgerin, reden zu können. Zum Glück gibt es hier bei uns so viele verschiedene Berufsgruppen und auch Ehrenamtliche, die für die Patient*innen und ihre Angehörigen da sind. Wer der oder die Richtige für ein vertrauliches Gespräch ist, entscheiden sie selbst.
Wie gehst du selbst mit Belastungen in deinem Beruf um?
Hier im Hospizhaus ist die Begrenztheit des Lebens ständig präsent, und damit ist mir meine eigene Begrenztheit nicht nur am Ende des Lebens, sondern schon hier auch in meiner Arbeit, in meinen Möglichkeiten bewusst. Ich versuche das Bestmögliche zu geben, aber ich weiß, dass das seine Grenzen hat. Ich kann dem Menschen seine Krankheit und sein Leid nicht abnehmen und erfahre so innerhalb meiner Möglichkeiten ganz unmittelbar mein eigenes Begrenztsein. Auf gewisse Weise empfinde ich die Grenzen des Möglichen nicht als belastend, sondern als entlastend.