Sr. Barbara Flad von den Barmherzigen Schwestern Zams im Gespräch mit Urban Regensburger über Ihr neues Buch „Im Licht der Liebe.
Warum haben Sie für Ihr Buch den Titel „Im Licht der Liebe“ gewählt?
Barbara Flad: „Ich selber hab den Titel gar nicht gewählt, sondern die Herausgeber vom Kirchenblatt. Doch ich kann mich schon damit identifizieren. Die Texte, die im Buch enthalten sind, sind Texte über verschiedene Phasen meines Lebens, die oft auch aus der Beschäftigung mit der Liebe entstanden sind. Einerseits ist dabei die Liebe zum Menschen und andererseits auch die Liebe zu Gott ein Thema. In Studienzeiten ging es auch um die Liebe zu einem Partner, und als ich mich dann mit dem Eintritt in einen Orden beschäftigte, ging es zentral um die Liebe zu Gott. Dabei war immer die Frage ‚Was trägt in dieser Liebe?‘ für mich besonders wichtig.“
Liebe ist ein großes Wort. Jede*r sehnt sich danach, und doch ist sie so oft schwer zu finden. Wie begegnet Ihnen die Liebe?
Barbara Flad: „Auf ganz verschiedene Weisen. Liebe wird einem einfach geschenkt. Das ist etwas sehr Schönes, und ich glaube, es ist auch Teil ihres Wesens. Sie kann nicht eingefordert und auch nicht gemacht werden. Sie wird einem immer geschenkt. Für mich ist sie etwas, was einen durchs Leben trägt. Sie begegnet mir oft in der Begleitung von Menschen am Lebensende, wo sich vieles auf das Wesentliche reduziert und die Frage entsteht: ‚Was ist denn noch wichtig?‘ Und meiner Erfahrung nach ist die Antwort auf die Frage bei fast allen: die Beziehungen, die Liebe, die wir uns zeigen. Gerade die Liebe kann uns auch tragen, sogar über den Tod hinaus.“
Ein Text in Ihrem Büchlein hat den Titel „Halte mich“. Gerade schwer kranke Menschen suchen oft Halt im Angesicht ihrer Endlichkeit. Was kann in dieser Ausnahmesituation helfen?
Barbara Flad: „Das ist keine Frage, die pauschal beantwortet werden kann. Jeder Mensch kann in unterschiedlichen Dingen oder Beziehungen Halt finden. Was helfen kann, sind Menschen, die einen begleiten auf der Suche nach dem, was noch Halt geben kann, insbesondere da so vieles wegbricht, was aufgrund der Erkrankung nicht mehr möglich ist.
Manchmal können genau die Dinge, die einem schon immer Halt gegeben haben, auch in der letzten Lebensphase Halt geben: zum Beispiel die Beziehungen oder der Glaube. Genauso ist es möglich, dass es zu einer radikalen Änderung kommt.
Persönlich habe ich immer wieder erfahren, dass es Menschen einen Halt geben kann, wenn ein anderer Halt in etwas hat. Wenn zum Beispiel in meinen Begleitungen das Thema auf das Danach aufgetaucht ist und ich meine Glaubensgewissheit, dass da etwas Schönes kommt, zum Ausdruck gebracht habe, dann kam manchmal die Antwort: ‚Ich kann das zwar nicht glauben, aber ihr Glaube gibt mir in diesem Moment Halt.‘ Für mich ist diese stellvertretende Hoffnung – dass das funktionieren kann – etwas ganz Erstaunliches. Was wir sicher als Halt brauchen, ist die Hoffnung. Auch die ist für jeden anders, aber wir brauchen sie in jedem Fall in irgendeiner Form. Und selbst wenn es nur mehr ist, dass ich noch einmal mein Enkelkind sehe oder dass mir noch eine schmerzfreie Stunde geschenkt wird. Ich glaube, ohne Hoffnung können wir nicht leben.“
Sie haben viel Erfahrung in der hospizlichen Begleitung. Welche Begebenheit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Barbara Flad: „Eine sehr berührende Begleitung, die mir vor Augen steht, war in der Covid-Zeit im Rahmen des mobilen Palliativteams. Da hat sich eine krebskranke Frau noch einmal die Kommunion gewünscht. Es war dann fraglich, wie wir das überhaupt hinbekommen. Einmal habe ich die Kommunion vor die Türe gelegt. Nachdem ich zwei Schritte zurück gemacht hatte, hat die Angehörige die Kommunion ins Haus mitgenommen. Beim zweiten Mal war es dann möglich, eine kleine Kommunionfeier mit der Familie zu machen. Das gemeinsame Teilen des Brotes im Angesicht des Todes war etwas sehr Berührendes. Auch zu spüren, wie viel Kraft diese Frau aus ihrem Glauben schöpft und wie viel ihr das gibt, war etwas ganz Besonderes.
Eine andere Szene, die mir jetzt einfällt, erinnert mich daran, dass es neben dem Abschied auch Elemente der Dankbarkeit oder der Lebensfreude geben kann: Angehörige haben ihrer kranken Mutter Champagner ins Krankenhaus gebracht, weil sie immer gerne Champagner getrunken hat. Leider hatte sich ihr Gesundheitszustand so weit verschlechtert, dass sie nicht mehr bei Bewusstsein war. Dann waren sie ganz unsicher, was sie jetzt tun sollen, und auch traurig, dass sie zu spät gekommen waren. So standen sie um das Bett und irgendjemand sagte: „Ich glaube, sie würde wollen, dass wir ihn jetzt trinken.“ Und so haben wir es dann auch gemacht: Wir öffneten den Champagner, haben ihr die Lippen befeuchtet und haben angestoßen auf ihr Leben, auf das, was sie der Familie bedeutet hat und auf diesen Moment der Gemeinsamkeit.“
Wir laden gerade Menschen in ganz Tirol ein, den Satz „Bevor ich sterbe, möchte ich …“ im Rahmen einer Kunstaktion zu beantworten. Wie würden Sie diesen Satz vervollständigen?
Barbara Flad: „… gelebt haben. Das ist es eigentlich. Jeden Tag leben. Da gehört alles dazu, das Fröhliche und das Traurige, mit all den Gefühlen. Egal was das Leben bringt, ich möchte am Schluss sagen können: Ja, ich habe gelebt.“