„Der Mensch hat gegenüber den Widrigkeiten des Lebens
drei Dinge zum Schutz:
die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.“
Immanuel Kant.
An einem Ort, wo einem wahrlich nicht zum Lachen zumute ist, am Hospiz erfahre ich, Lachen ist ein Schwimmgürtel. Es hilft Übergänge zu meistern.
„Der da oben mag mich noch nicht“, sagt Herr Peter. Er ist 72 Jahre alt und Patient an der Innsbrucker Hospiz- und Palliativstation. Schon oft hat Herr Peter mir als Seelsorger von seiner schweren Krankheit, vom langen Warten auf dem Tod erzählt. Herr Peter hat heute eine Antwort parat: „Der da oben wird wohl noch kein Zimmer haben für mich“ und ergänzt: „Aber ein geheiztes soll es schon sein“. Wir schauen uns an und müssen beide herzhaft lachen. All die Schwere ist für einen Moment gewichen.
Ob es gute Witze sind oder heitere Begegnungen: Wir lachen, weil wir etwas „komisch“ finden. Ein Gegensatz ist da zwischen dem, wie etwas tatsächlich ist und wie es dargestellt wird.
Spaß machen befreit und entspannt. Für viele kranke, sterbende Menschen ist das Lachen ein Schwimmgürtel. Im Scherzen offenbaren sie ihre humorige Seite. Mit Lachen gelingt es ihnen schwierige Situationen besser zu meistern. Kranke, sterbende Menschen sind im Umgang mit dem Schicksal durchaus kreativ. Frau Lydia etwa erzählt mir vom Krebs als „Kobold“ in ihr: „Er spielt mir allerhand Streiche. Täglich rede, scherze und streite ich mich mit ihm.“ Und Herr Franz sagt mir wenige Wochen vor seinem Heimgang: „Jetzt habe ich noch wegen falsch Parken eine Strafanzeige erhalten. Die Rechnung zahl ich nicht mehr ein. Bis zum einzuzahlendem Tag bin ich nicht mehr da.“
„Lachen ist gesund“, sagt der Volksmund. Worin liegt seine heilende Kraft? Beim Lachen bekommen die Lungen mehr Sauerstoff. Gleichzeitig wird die gestaute Atemluft rhythmisch ausgestoßen. Das Zwerchfell bewegt sich und massiert wohltuend die benachbarten Organe Herz, Lunge und Leber. Das Lachen stärkt den ganzen Körper des Menschen und baut zudem Stresshormone ab.
Ob am Hospiz oder anderswo: Vielfach ist einem nicht zu lachen. Wenn Menschen lachen, lachen sie unterschiedlich. Da ist das befreite Lachen, das vom Herzen kommt, aber auch ein Lachen aus Schadensfreude. Undurchschaubar rätselhaftes Lachen ist ebenso zu hören wie das überlegen spöttische, voll der Aggression. Lachen ist nicht Lachen.
Auch in der Bibel finden sich die vielseitigen Weisen des Lachens. Das Buch Genesis erzählt von „Issak“, was wörtlich übersetzt heißt: „Gott lacht“. Menschen werden verlacht: die Armen, die vom Unglück Verfolgten, die Propheten, Jesus selbst unterm Kreuz.
Unüberhörbar klingt aber die Verheißung durch, dass Gott letztlich das Unglück wendet und der Mensch sich freuen werde: „Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel“ (Psalm 122). Den jetzt Weinenden verspricht Jesus in der Bergpredigt: „Ihr werdet lachen“. Frau Anna am Hospiz drückt es mit ihren Worten aus: „Freu ich mich aufs Heimgehen. Vorbei die Schmerzen, die schlaflosen Nächte, vorbei das Weinen, nur mehr Lachen, reinste Glückseligkeit.“
Das Lachen des Menschen bedeutet Anteil nehmen am erlösten Leben. Und da der Mensch auf Erden für den Himmel üben muss, muss er auch das Lachen lernen. Die Gottesdienstbesucher des Mittelalters probten das Lachen, wenn sie an Ostern nach der Verkündigung der Osterbotschaft, gesteigert durch Späße und Witze der Priester, in schallendes Gelächter ausbrachen.
Der austro-amerikanische Theologe Peter L. Berger meint, wer den „bitteren Wein des modernen Denkens“ getrunken habe, werde die Botschaft vom Komischen als Signal der Transzendenz nicht hören wollen. Für Berger sind Spaß und Komik wirklich „sichtbare Zeichen unsichtbarer Gnade“, Sakramente für eine mehr denn je erlösungsbedürftige Menschheit. Frau Maria weiß um diese Gnade und Kraft: „Mir wurde in der Phase der Erkrankung alles genommen, aber das Lachen, Gott sei Dank, wieder zurückgegeben.“
Christian Sint, Seelsorger auf der Hospiz- und Palliativstation Innsbruck
Weiterführende Links:
- Die Hospiz- und Palliativstation in Innsbruck
- „Wollen Sie mich nicht fragen, wie ich meine Diagnose verkraftet habe?“
- Nicht zum Reden da …? – Die Hospiz- und Palliativstation