„Ist es wirklich Voraussetzung für ein gutes Sterben, dass man das Leben, die geliebten Menschen losgelassen hat?“ Elisabeth Medicus, ärztliche Leitung Tiroler Hospiz-Gemeinschaft
Wenn es ums Sterben geht, ist immer wieder die Rede vom „Loslassen“. Doch ist es wirklich Voraussetzung für ein gutes Sterben, dass man das Leben, die geliebten Menschen losgelassen hat? Oder zumindest, dass man das Sterben akzeptiert? Oft wird verallgemeinernd davon ausgegangen, dass es zu einem guten Sterben gehöre, das Sterben zu akzeptieren. Ergebnisse einer Studie, die diese Annahme aus der Perspektive der Beroffenen untersucht hat, wurden vor kurzem in der Zeitschrift für Palliativmedizin publiziert.
Auch „Verdrängen“ kann ein Weg sein
Die Ergebnisse zeigen, dass die Annahme, es sei für jeden Menschen gut „loszulassen“, nicht zutreffend ist. Sie zeigen auch, dass dem Akzeptieren oder dem Nichtakzeptieren des Sterbens unterschiedliche Werthaltungen zugrunde liegen, dass die Haltung der Akzeptanz sich oft mehrmals verändert und mit der allgemeinen Lebenseinstellung eines Menschen zusammenhängt „Jemandem zuzuschreiben, er oder sie ,verdränge‘ den Tod, weil er oder sie ihn nicht akzeptiere, ist nicht immer zutreffend. Auch das Nichtakzeptieren kann eine Auseinandersetzung mit dem nahen Tod beinhalten.“
Kein Sterben gleicht dem anderen
Vor diesem Hintergrund ist die Empfehlung oder die Erwartung, sterbende Menschen oder ihre Angehörigen müssten „loslassen“, unangebracht. Vielmehr ist in einer Haltung der respektvollen Zuwendung immer individuell zu erfassen, was für einen Menschen passend ist und was er von der Umgebung braucht, um mit der Unausweichlichkeit des Todes auf seine eigene Weise umgehen zu können.
Seit vielen Jahren habe ich beruflich mit schwer kranken und sterbenden Menschen zu tun. Das Sterben hat sein Geheimnis nicht gelüftet. Das Einzige, was ich weiß, ist: Kein Sterben gleicht dem anderen, so wie ein Leben nie gleich einem anderen ist.
Quelle: Ohnsorge, C. Rehmann-Sutter, N. Streeck, G. Widdershoven, H. Gudat: Was bedeutet es, das eigene Sterben zu „akzeptieren“? Ergebnisse aus einer qualitativen Studie mit 62 Palliativpatientinnen und -patienten, Zeitschrift für Palliativmedizin 2017/18, S. 144–151.
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