Bettina Weitlaner-Souissi (Leitung Regionalarbeit Tiroler Hospiz-Gemeinschaft) gibt im folgenden Interview Pflegetipps für pflegende Angehörige. Eine Hilfestellung für alle Personen, die zu Hause einen nahen Angehörigen pflegen.
Was ist bei der Pflege eines nahen, schwerkranken Angehörigen allgemein wichtig?
Bettina Weitlaner-Souissi:
„Als pflegender Angehöriger ist es besonders wichtig, dass man/frau sich über seine Zeitressourcen im Klaren ist. Es ist gut, wenn die Familie und alle Angehörigen gemeinsam die Bereitschaft zur Pflege ihres Familienmitglieds beschließen und sich alle nach ihren Möglichkeiten einbringen. Dadurch erfährt das Familienmitglied, das den Großteil der Pflege übernimmt, eine Entlastung und die Möglichkeit zu freien Stunden bzw. Tagen. Wichtig ist auch, dass bei Bedarf möglichst frühzeitig fachliche Hilfe – zum Beispiel durch eine Hauskrankenpflege, den Sozialsprengel oder Essen auf Rädern – geholt wird. Nur so ist es möglich, dass es genug Freiräume für die/den PflegendeN gibt. Wichtig ist, dass früh genug Hilfe geholt wird, bevor die Situation zu schwer wird und dadurch möglicherweise eskaliert.“
Welche Probleme kennst Du und wie kann man damit am besten umgehen?
Bettina Weitlaner-Souissi:
„Ein Hauptproblem ist sicher, dass keine Hilfe zugelassen wird. Oft fühlt sich einer allein für alles zuständig und ist dadurch dauernd überfordert. Dadurch wird die Pflegeperson oft selber krank oder es gibt massive Probleme zwischen den Angehörigen. In manchen Fällen ist die Intimpflege eines nahen Angehörigen oft schwierig. Hier ist es wichtig, sich diese Schwierigkeiten einzugestehen und auf externe Hilfe zurückzugreifen.“
Wie geht man/frau am besten mit Aggression und Ablehnung um?
Bettina Weitlaner-Souissi:
„Meistens gibt es eine ganz lange Vorgeschichte und gerade die Überforderung der Pflegeperson trägt dazu bei, dass es zu Konflikten kommt. Es kann zum Beispiel sein, dass sich ein Vater von seiner Tochter nicht die Windel wechseln lassen will. Wenn dieses Unbehangen ignoriert wird und die Tochter trotzdem die Windel wechselt, sind dauernde Konflikte wahrscheinlich. Hier ist es wichtig die Grenzen und Wünsche aller Beteiligten möglichst früh genug anzusprechen und gemeinsam eine akzeptable Lösung zu finden. Auch hier kann eine externe Hilfe sehr entlastend wirken.“
Was ist wichtig bei der Kommunikation mit den behandelnden Ärzten?
Bettina Weitlaner-Souissi:
„Pflegende Angehörigen sollten sich ihrer Rolle bewusst sein und insbesondere ihre Grenzen auch gegenüber den behandelnden Ärzten ganz klar kommunizieren. Wichtig ist, dass die Pflegeperson soviel Selbstbewusstsein entwickelt, um ihre Wünsche und ihre Grenzen auch klar gegenüber dem Arzt/der Ärztin zu formulieren. Es ist kein persönliches Versagen, wenn sich die pflegende Angehörige eingesteht, dass sie es nicht mehr alleine schafft. Im Prinzip ist es eine unmögliche Aufgabe, alleine für eine Person rund um die Uhr zuständig zu sein.“
Wie kann die eigene Belastbarkeit gut eingeschätzt werden und was soll der Pflegende bei einer beginnenden Überlastung am besten machen?
Bettina Weitlaner-Souissi:
„Der erste Schritt bei einer beginnenden Überforderung ist immer, sich Hilfe zu holen. Hier ist oft der Hausarzt oder der Sozialsprengel ein guter, erster Ansprechpartner. Wichtig ist auch, sich bewusst ‚Auszeiten’ und ‚Freizeit’ zu nehmen und in dieser Zeit seinen Akku wieder aufzufüllen. Auch die regionalen Hospizgruppen sind immer eine gute Möglichkeit zur Entlastung und Hilfestellung.“
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Foto: Tiroler Hospiz-Gemeinschaft/Urban Regensburger