14. Tiroler Palliativtag: Bauchgefühle – Intuition und Kognition im Wirkungsfeld Palliative Care
Der jährlich stattfindende Tiroler Palliativtag konnte zuletzt vor drei Jahren durchgeführt werden. 2019 sollte der Österreichische Palliativkongress sozusagen als Highlight die Ausnahme zu dieser Regel bilden. 1.500 interessierte Kongressteilnehmer*innen spornten das Planungsteam für die Organisation des Palliativtages für das Jahr 2020 an. Allerdings musste dieser dann– coronabedingt – sehr kurzfristig abgesagt werden. Wieder begann die Planung, doch auch für 2021 standen die Chancen schlecht. Um eine neuerliche Absage zu verhindern, stellten wir uns der Herausforderung, diesen Tag online zu gestalten. Denn unser Bauchgefühl sagte uns, dass es auf diese Art klappen könnte!
Und richtig: am Samstag, dem 17. April 2021 konnte die Vorstandsvorsitzende der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Frau Marina Baldauf, den 14. Tiroler Palliativtag via Zoom eröffnen. Ihre Grußworte richtete sie an rund 120 Interessierte, die sich ebenfalls auf das Wagnis einer Online-Veranstaltung eingelassen hatten! Ärzt*innen, Diplom-Pfleger*innen, Pflegeassistent*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Student*innen und verschiedene andere Berufsgruppen bzw. Ehrenamtliche aus Tirol, Südtirol und Deutschland spiegelten die bunte Welt von Palliativer Betreuung und Begleitung wider.
Durch das Programm führten die Pflegedirektorin und der Geschäftsführer der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Frau Christine Haas-Schranzhofer, MSc.MSc. und Herr Mag. Werner Mühlböck.
Im Eröffnungsvortrag „Mehr als ein Gefühl – Intuition und Wahrnehmung in Pflege, Therapie und Begleitung“ wies Frau Meike Schwermann, M.A., u.a. sowohl auf leibphänomenologische Bezüge, würdezentrierte Beziehungskultur als auch eine tröstende Sorgekultur hin. Die Diplom-Pflegewissenschaftlerin betonte die Bedeutung von Empathie, Ehrlichkeit und Authentizität als wesentliche Qualitäten in der hospizlichen Begleitung.
Der Vortrag des Medizin- und Gesundheitsethikers, Herrn Dr. Stefan Dinges, PM.ME, unterschied die beiden Systeme der Reflexion (Ethik) und der Intuition (Moral) und wies auf die Bedeutung hin, vorschnelle Reaktionen als „Wahrheiten“ zu sehen: „Das, was wahr ist gilt es zu erfragen und verständlich zu machen“. Dinges zeigte auf humorvolle und eindrucksvolle Weise die Wirksamkeit des Fragen-Stellens auf. Nicht zuletzt durch Fragen-Stellen kann moralischem Stress vorgebeugt und ethische Beziehungskultur in Organisationen gelebt werden.
Die Podiumsdiskussion nach der ersten Pause widmete sich dem Thema „Mehrdimensionale Darstellung der Symptome analog dem Total Pain Konzept und Entscheidungsfindung unter dem Aspekt der Interprofessionalität“.
Moderiert wurde diese Diskussion von der Ärztlichen Direktorin der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Frau Dr. Andrea Knoflach-Gabis. Dabei stand Herr S. als Patientenbeispiel im Fokus. Für das Einbringen der jeweiligen professionellen Perspektive kamen folgende Personen zu Wort: Frau Monika Wibmer, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Hospiz- und Palliativstation der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Frau Petra Hillebrand, Diplom-Sozialarbeiterin in der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Herr OA Dr. Markus Ringler, Stv. Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und leitender Arzt im MPT/PKD im Bezirkskrankenhaus Schwaz, Frau OÄ Dr. Gabriele Schauer-Maurer, Universitätsklinik für Psychiatrie II der Tirol-Klinken, Frau Mag. Romana Thurnes, Seelsorgerin in der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft.
Am Beispiel des Herrn S. zeigten die Wortmeldungen der einzelnen Professionisten eindrücklich, wie wichtig eine ganzheitliche Sichtweise und damit die Zusammenschau und die interprofessionelle Betreuung für die Patient*innen ist und welche Beiträge jede/r Einzelne seinem/ihrem jeweiligen Berufsbild entsprechend dafür leisten kann.
Mit dem Hinweis auf die Vortragende nach der wohlverdienten Mittagsause wurden die Teilnehmer*innen gebeten, ihre Mahlzeit besonders achtsam einzunehmen.
Gleich nach der Mittagspause erläuterte die Dätologin, Frau Edburg Edlinger, BSc., die Möglichkeiten und den hohen Stellenwert einer genussvollen Ernährung am Lebensende.
Das Decken des Nährstoff- und Energiebedarfs tritt in der letzten Lebensphase immer mehr in den Hintergrund, ist aber besonders für Angehörige oft schwer mitzuerleben. Daher ist Aufklärung über die physiologischen Prozesse von Sterbenden sehr wichtig. Gleichzeitig steigt die psychisch-emotionale Bedeutung von Essen und Trinken, weil das Verabreichen und Teilen von Essen ein tief verwurzeltes soziales Verhaltensmuster ist. Frau Edlinger hat kreative Vorschläge und Ideen für das Zubereiten von Nahrung aufgezeigt, die zu lustvollem Essen und Trinken mit allen Sinnen nicht nur am Lebensende verführen.
„Mit gesundem Bauchgefühl widerstandsfähig bleiben“ war der Titel des letzten Referenten, Herrn Roland Wegscheider, MSc. Mit Atemübungen bzw. mit der Einladung die Augen zu schließen brachte er auf interaktive Art den Teilnehmer*innen Strategien zur Selbstfürsorge näher. Gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Atemtraining können die Resilienz steigern und tragen so zum Wohle aller bei.
Zum Abschluss gab es sehr persönliche Antworten auf die Frage: „Wie treffe ich Entscheidungen? Assoziationen zum Bauchgefühl“. Frau Christina Wechselberger, MSc., Palliativkoordinatorin des Landesinstituts für Integrierte Versorgung, die Ärztliche Direktorin, Frau Dr. Andrea Knoflach-Gabis und der Geschäftsführer der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Herr Mag. Werner Mühlböck erzählten von ihrem individuellen Zugang zu dieser Frage. Auf ihre individuelle Weise kamen alle drei zum Schluss, dass im Idealfall „Herz und Hirn gut miteinander befreundet“ sind.
In den Pausen hatten Interessierte die Möglichkeit, sich bei einer bunten Auswahl an Literatur zu vertiefen, die von der Tyrolia als Online-Büchertisch zur Verfügung gestellt wurde. In diesem Link können Sie die Literaturliste einsehen.
Wir danken Frau Sarah Blümel von der Firma Clavis für die kompetente technische Unterstützung vor und während dieser Zoom-Veranstaltung!
Zudem danken wir der Ärztekammer für Tirol und dem Landesinstitut für integrierte Versorgung für die großzügige Unterstützung!