Gedanken zu einer Spiritual Care Ausbildung im Kardinal König Haus (2010/11).
Die erste Frage, die einem im Rahmen einer derartigen Ausbildung begegnet, lautet: Was ist Spiritualität?
Der Schwerpunkt auf Selbsterfahrung lässt uns mit dieser Frage unterwegs sein, zusammentragen und austauschen.
Viele verschiedene Sichtweisen fordern von uns ein Sich-Einlassen, ein Gehen vom ICH zum DU.
- Die Spiritualität eines anderen Menschen ist nicht schnell und einfach zu erfassen.
- Wir haben eine momentane Sicht unserer Spiritualität, sie ändert sich im Laufe des Lebens.
- Wenn man Vorstellungen von Spiritualität aufeinander bezieht (in Beziehung kommt), gibt es eine Einigung der beiden Auffassungen und die Möglichkeit, selber darin zu wachsen.
- Spiritualität ist etwas Zartes an Begegnung, jedoch nicht ohne Anstrengung möglich.
Spiritualität ist eine Haltung!
Und hier möchte ich auf den großen Unterschied zwischen Haltung und Verhalten (Methoden oder Techniken) hinweisen.
Bei spirituellen Methoden oder Techniken (Gedächtnisinhalten, Handlungen oder Verhalten) kann immer eine deutliche Trennung vom Inhalt (des Gelernten) und dem dabei entstehenden Gefühl gemacht werden. Gefühle (emotional) und Inhalte (kognitiv) können getrennt voneinander betrachtet werden.
Sie sind durch Lernen, Lob und Tadel oder schlicht durch Dressur erlernbar oder veränderbar.
Neurobiologisch ist hauptsächlich das Großhirn hinter der präfrontalen Rinde beteiligt (dort ist der Platz für alle Lerninhalte).
Anders verhält es sich bei Haltungen oder Einstellungen.
Dies sind keine Gedächtnisinhalte sondern die eigenen Erfahrungen. Die kognitive Ebene (was habe ich erlebt?) und die emotionale Ebene (wie ist es mir dabei gegangen?) sind aneinander gekoppelt.
Aus dem Potenzial der eigenen Erfahrungen werden dann Haltungen und Einstellungen, und diese bestimmen, wofür wir unser Gehirn verwenden, wofür wir uns begeistern, worum wir uns kümmern. Haltungen und Einstellungen haben in unserem Leben eine Lenkungsfunktion. Sie können nur erlernt oder verändert werden, indem uns jemand (der uns mag und der diese Haltung auch selber lebt) einlädt, ermutigt oder inspiriert, eine neue Erfahrung machen zu wollen.
Am Anfang jedes menschlichen Lebens stehen neun Monate der Verbundenheit (dazuzugehören, anfänglich zur Mutter verbunden zu sein) und des Wachstums (angezeigt durch unablässiges Erlernen von neuen Verhaltensweisen).
Aus Haltungen und Einstellungen bilden wir gewisse Vorstellungen von unserem Tun. Und auf gemeinschaftlicher Ebene bildet sich daraus eine Geisteshaltung, die wiederum bestimmt, wofür eine Gemeinschaft ihr Potenzial benützt (Familiengeist, Klassengeist, Teamgeist, Firmengeist, Betriebsklima etc.).
Diese „Geister“ müssen genährt werden, sonst verschwinden sie (das sagt schon das Wort „Geist“) und an deren Stelle kommen „Ungeister“ (Verwaltungsgeist – es wird alles nur mehr wirtschaftlich und rationell gesehen, Kontrollgeister – es braucht für alles eine Kontroll- oder Checkliste, Hygienegeister etc.), die dann wiederum Erfahrungsräume vorgeben, in denen dann dementsprechende Erfahrungen gemacht werden können.
Um aber nun den Bogen wieder hin zur Spiritualität zu spannen: Sie ist eine durch Verbundenheit und das Bedürfnis nach Wachstum entstandene Haltung, die jede/r für sich in einer unterschiedlichen Form gemacht hat und die sich weiter verändern wird. Spiritualität ist eine Haltung, die bestimmt, wofür wir unser Lebenspotenzial benützen, und sie verflüchtigt sich, wenn sie nicht genährt wird.
Im Weiteren ist Spiritualität frei von Ideologie.
Seelsorge = jemand ist in der Sorge um eine/seine Seele.
Voraussetzung ist Wahrnehmungsfähigkeit. D.h. der Versuch, so gut es geht wahrzunehmen, was im Gegenüber lebendig ist.