„Viele machen freiwillig Dienst hier. Ich frage mich, woher sie den Antrieb dazu nehmen, sowie die innere Kraft für ihre endlose Geduld, gute Laune und, ja, ihre Fröhlichkeit.“
Heinrich Payr
Geplant war es keineswegs, dass ich hier im Hospiz landen würde, vielmehr ergab es sich eher spontan, ein glücklicher Zufall. Als ich in meinem Zimmer ankam und aufs Bett gelegt wurde, da konnte ich nur staunen angesichts der großzügigen, hellen Einrichtung.
Schade, dass ich so immobil war und das tolle Zimmer gar nicht richtig ausnutzen konnte. Angesichts der Räumlichkeiten, vor allem aber in Anbetracht der Fürsorge, die mir entgegengebracht wurde, schoss es mir plötzlich durch den Kopf: „Der erste Kreis des Paradieses!“
Der Ausdruck ist abgeleitet aus der „Göttlichen Komödie“ des italienischen Dichters Dante Alighieri aus dem 14. Jahrhundert. Er nimmt seine Leser mit auf eine Reise durch Unter- und Oberwelt. Die sind fein säuberlich unterteilt, die Hölle in Kreise. Der erste Kreis der Hölle wäre demnach so etwas wie die Vorhölle. Die Bezeichnung ist sprichwörtlich geworden, ein berühmter Roman des russischen Schriftstellers Alexander Solschenizyn trägt diesen Titel.
Hier ging es jedoch nicht um die Hölle, sondern ums Paradies.
Wie anders soll man das Haus mit seiner Architektur beschreiben? Da ist zunächst einmal das Gebäude: lichtdurchflutet, dezente Holzarchitektur, Innenhöfe, um welche sich Gänge winden, an jeder Ecke kann man sich links, rechts oder geradeaus wenden. Die Innenhöfe sind nach oben offen in den Himmel, hinunter blickt man auf grüne Pflanzen und Bäumchen. Die ganze Anlage ist so verwinkelt und abwechslungsreich angelegt, dass man wohl sehr lange Zeit hier verbringen müsste, ehe man jeden Winkel besucht hätte. Dazu all das Glas, das Licht – fast wie eine kleine Kristallwelt.
Was wäre ein Gebäude ohne Menschen?
Schon als ich ankam, beeindruckte mich die Fürsorge, mit der ich aufgenommen wurde. Dieses Gefühl hat sich seither noch verstärkt. Die Frauen und Männer – hauptsächlich Frauen – zeichnen sich durch unerschütterliche Geduld und Freundlichkeit aus; wenn nicht mehr noch als Freundlichkeit. Dabei haben sie ihren Teil mitgemacht mit mir, Verdauungsprobleme, die Ärmsten! Doch es kam nichts als Beruhigung, sie sprachen mir Mut zu. Ich hätte das an ihrer Stelle nicht so fertiggebracht.
Ich kann es bloß dankbar entgegennehmen
Viele machen freiwillig Dienst hier. Dafür gebührt ihnen tiefe Bewunderung. Ich frage mich, woher sie den Antrieb dazu nehmen, sowie die innere Kraft für ihre endlose Geduld, gute Laune und, ja, ihre Fröhlichkeit. Spielt der Glaube eine Rolle? Leider bin ich selbst viel zu weltlich, um das abschätzen zu können, vom Nachvollziehen überhaupt keine Rede. Ich kann es bloß dankbar entgegennehmen. Selbst wäre ich dazu nicht in der Lage.
Naja, und so schaut er aus, der erste Kreis des Paradieses. Meines Bleibens wird hier nicht von Dauer sein. Für andere sehr wohl, und um ihretwillen wollen wir das Allerbeste hoffen: für sie, fürs Personal, für das Hospiz schlechthin.
Heinrich Payr ist im August 2022 im Hospizhaus verstorben.
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