Wenn Luise ins Heim zieht

„Was hat meine Arbeit in der Küche mit dem Sterben zu tun?“, fragte sich Rainer Petutschnig, der Küchenchef vom Wohn- und Pflegeheim Via Claudia in Nassereith zweifelnd.

Alle MitarbeiterInnen im Heim sollten an einem Workshop im Rahmen des Projekts „Hospizkultur und Palliative Care im Pflegeheim“ mit der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft teilnehmen. Seine Begeisterung für die Fortbildung war, wie er ehrlich zugibt, begrenzt. „Ich war äußerst skeptisch, weil ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, was auf mich zukommt und was mir das für meine Arbeit als Koch bringen soll.“

Wie würde „Luise“ im Heim gerne leben und wie möchte sie sterben?

Bei dem fast einwöchigen Workshop, der ein wichtiger Baustein des zweijährigen Entwicklungsprozesses ist, geht es darum, allen MitarbeiterInnen in einem Heim das Leben und besonders die Bedürfnisse der HeimbewohnerInnen nahezubringen. Dafür wird von den WorkshopteilnehmerInnen eine fiktive Person mit einem konkreten Namen – in Nassereith war es Luise – und einer eigenen Lebensgeschichte „erschaffen“. Luise wird während des Workshops in allen Phasen ihres Lebens im Heim von den MitarbeiterInnen im Heim begleitet. Von den ersten, oft schwierigen Tagen und Wochen in der neuen Umgebung bis zu ihrer Sterbestunde. Viele Fragen tauchen auf: Wie hat Luise früher gelebt? Was war ihr wichtig, was sind ihre Vorlieben, was isst sie gerne? Hat sie Familie und Freunde? Was braucht Luise, um im Heim gut leben zu können? Und wie würde Luise wohl gerne sterben?

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Ein Workshop, der in die Tiefe geht

„Bisher habe ich nie darüber nachgedacht“, meint Rainer Petutschnig, „wie es mir ginge, wenn ich selbst in ein Heim ziehen müsste. ‚Gemeinsam mit Luise‘ im Heim zu leben, hat mir aber die Augen dafür geöffnet – das ist richtig tief gegangen. Ich kann mich jetzt mehr in die Bedürfnisse unserer BewohnerInnen einfühlen und fühle mich ihnen näher. Die Schulung hat nicht nur meine Arbeit, sondern auch mich persönlich sehr bereichert.“

luise im heim 2

Abwechslungsreiche und praxisnahe Schulung

Simone Pfefferle, Pflegedienstleiterin im Heim, ist froh und auch stolz, dass das Heim das erste in Tirol ist, das an dem Projekt „Hospizkultur und Palliative Care im Pflegeheim“, kurz HPCPH, teilnimmt. Sie war die treibende Kraft hinter diesem Projekt und freut sich, dass die Schulung so erfolgreich war. „Die TeilnehmerInnen waren begeistert und meinten, dass sie noch nie eine so abwechslungsreiche und praxisnahe Fortbildung gemacht hätten. Wir spüren das jetzt auch deutlich im Team. Das Miteinander der verschiedenen Berufsgruppen ist jetzt offener und auch herzlicher.“

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Fürs Sterben gibt es keine zweite Chance

Simone Pfefferle ist eine gelebte Hospizkultur im Heim besonders wichtig, weil, „das Sterben und der Tod existenzielle Themen sind. Dafür gibt es keine zweite Chance: Für den Sterbenden nicht und für seine Angehörigen auch nicht. Neben der Entwicklung einer authentisch gelebten Hospizkultur aller MitarbeiterInnen im Heim geht es in dem Projekt auch um fachliche Weiterbildung der Pflegekräfte in Palliative Care. Wie können Schmerzen gut behandelt, andere belastende Symptome wie Übelkeit oder Atemnot gelindert werden? Wie kann ich Angehörigen gut erklären, dass sterbende Menschen nicht mehr essen und trinken wollen und dass Ernährung und zu viel Flüssigkeit Sterbende sogar belasten?

Die ganze Themenvielfalt zu vermitteln, dürfte den beiden Hospizmitarbeiterinnen Sylvia Jöbstl und Barbara Kleissl, die das Heim während des gesamten Projekts begleiten, bei ihrer Premiere in Nassereith gelungen sein. Wenn Kerstin Walser, die seit drei Jahren als Reinigungskraft in Nassereith arbeitet, erzählt, dass sie jetzt keine Angst mehr hat, in das Zimmer einer sterbenden Bewohnerin zu gehen, und es als großes Geschenk empfindet, für einen Verstorbenen das Nachtkästchen mit Kerze und Weihwasser herrichten zu dürfen, dann ist das authentisch gelebte Hospizkultur.

Weitere Informationen zum Projekt Hospizkultur und Palliative Care im Pflegeheim erhalten Sie hier!

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