Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden. Umso wichtiger erscheint es mir, weiterhin die flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung für schwer kranke und sterbende Menschen als Angebot bestmöglich zu unterstützen.
Mit der Freigabe der Beihilfe zum Suizid werden sich Problemfelder auftun, die es aufgrund der neuen Gesetzesgrundlage zu diskutieren und zu regeln gilt. Adäquate und transparente Rahmenbedingungen sind jetzt notwendig, um Missbrauch auszuschließen.
Im Zentrum unserer Arbeit steht das Wohl des ganzen Menschen. Körperliche, psychische, soziale und spirituelle Bedürfnisse werden in der Betreuung und Begleitung berücksichtigt. Wir haben große Sorge, dass Beihilfe zur Selbsttötung zu einer medizinischen Dienstleistung wird, die eingefordert werden kann und dass damit das Selbstverständnis der helfenden Berufe erschüttert wird. Bei allem Respekt für die existenzielle Not, muss es auch dem Helfenden frei gestellt sein, eine derartig einschneidende Hilfe abzulehnen.
Wir haben große Sorge, dass dem Leben im Leiden und im Angewiesen sein, jeder Sinn abgesprochen wird und wir sorgen uns, dass Begriffe wie Hilfsbereitschaft, Barmherzigkeit, Würde, Mitgefühl und Geborgenheit ihre Bedeutung als Beziehungs- und Orientierungsrahmen einer Gesellschaft verlieren.
Wesentlich ist auch, Verständnis zu zeigen für Menschen, die ihren Todeswunsch zum Ausdruck bringen. Oft ist die Sehnsucht nach Erlösung ein zweideutiges Signal. Meist ist es ein Hilfeschrei nach menschlicher Zuwendung und solidarischem Beistand. Aus der Suizidforschung ist bekannt, dass „ein rationaler Schlussstrich unter das eigene Leben“ äußerst selten ist. Wir wollen mit verzweifelten Menschen in Dialog treten, nicht wegschauen, und eigene Grenzen und Unzulänglichkeiten anerkennen. Dass es immer wieder Graubereiche gibt, lässt sich nicht verhindern. Die Öesterr. Palliativgesellschaft hat dazu eine entsprechende Stellungnahme veröffentlicht (siehe Link unten).
Das Recht auf Selbstbestimmung und Würde lässt sich schwer auf eine einzige Formulierung herunter brechen, sondern ist in einem komplexen Kontext von Fragen zu sehen und zeigt, dass uneingeschränkte Autonomie am Lebensende schwer möglich ist. Wer begleitet mich? Wer hilft mir bei Schmerzen und Angst? Wen belaste ich? Wie kann ich meine Würde bewahren? Der Umgang mit Fragen wie diesen in entscheidenden, angstbesetzten Lebenssituationen benötigen großes Einfühlungsvermögen, Menschlichkeit und (De)Mut der Betreuenden.
Die große Herausforderung wird zukünftig sein, zwischen rechtsstaatlichen Entscheidungen und den fürsorglichen und prüfenden Aufgaben unserer Gesellschaft eine Balance des Respekts und des würdevollen Umgangs mit leidenden Menschen zu finden (siehe Link Wiener Zeitung unten).
Marina Baldauf
Vorsitzende der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft
Hier Können Sie die Stellungnahme der Österreichischen Palliativgesellschaft als PDF herunterladen!